Erich Kästner, ein deutscher Schriftsteller, Lyriker und Drehbuchautor, der vor allem durch seine Kinderbücher wie „Emil und die Detektive“ bekannt wurde, hatte auch eine tiefgründige und reflektierte Sicht auf das Leben und das Altern. Seine Einstellung zu diesen Themen spiegelt sich in seinem breiten literarischen Schaffen wider, das sowohl humorvolle als auch ernste, kritische und nachdenkliche Werke umfasst. Kästner war bekannt für seinen scharfen Verstand, seinen feinsinnigen Humor und seine Fähigkeit, gesellschaftliche Missstände kritisch zu kommentieren.
Geburtstagsgedicht von Erich Kästner
Geburtstagsgedicht hat Kästner eigentlich nur eines verfasst und zwar zu seinem eigenen 70. Geburtstag, um sich bei den Gratulantinnen und Gratulanten zu bedanken:
Man wird älter. Es ergibt sich.
Kürzlich Sechzig. Diesmal Siebzig.
Kurzes Zögern, und man macht sich
auf den Weg in Richtung Achtzig.
Wünsche, wirklich waschkorbweise,
trafen ein aus West und Ost.
Und die Männer von der Post
hatten’s schwer und seufzten leise.
Auf den Sofas, Stühlen, Bänken
liegen Berge von Geschenken.
Für mich selbst, im Bunterlei
blieb grad noch ein Plätzchen frei.
Herzlich grüß ich die bekannten
samt den fremden Gratulanten.
Bin gerührt und trotzdem heiter.
Danke sehr. Und mache weiter.
Gedichte zum Geburtstag von Kästner über Zeit & Alter
Aber auch in weiteren Gedichten und Texten reflektierte Kästner über das Altern. Er betrachtete es nicht nur als einen Prozess des körperlichen Verfalls, sondern auch als eine Chance zur Reife und Weisheit. Kästner sah im Altern eine Möglichkeit, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden und das Leben in einem tieferen Sinn zu verstehen. Hier einige Gedichte von Erich Kästner, die sich mit dem Thema Zeit, Vergänglichkeit, Alter und Weisheit befassen. Sie könnten ebenfalls gut als Geburtstagsgedicht von Kästner gelten.
Das ist das Verhängnis:
Zwischen Empfängnis
und Leichenbegängnis
nichts als Bedrängnis.
Das ist das Verhängnis.
Es läuten die Glocken
Wenn im Turm die Glocken läuten,
kann das vielerlei bedeuten.
Erstens: dass ein Festtag ist.
Dann: dass Du geboren bist.
Drittens: dass Dich jemand liebt.
Viertens: dass Dich’s nicht mehr gibt.
Kurz und gut, das Glockenläuten
hat nur wenig zu bedeuten.
Der schöpferische Irrtum
Irrtümer haben ihren Wert;
jedoch nur hier und da.
Nicht jeder, der nach Indien fährt,
entdeckt Amerika.
Zum neuen Jahr
“Wird’s besser? Wird’s schlimmer?”
fragt man alljährlich.
Seien wir ehrlich:
Leben ist immer
lebensgefährlich.
Präzision
Wer was zu sagen hat,
hat keine Eile.
er läßt sich Zeit und sagt’s
in einer Zeile.
Ich bin die Zeit
Mein Reich ist klein und unabschreitbar weit.
Ich bin die Zeit.
Ich bin die Zeit, die schleicht und eilt,
die Wunden schlägt und Wunden heilt.
Hab weder Herz noch Augenlicht.
Ich kenn die Gut’ und Bösen nicht.
Ich trenn die Gut’ und Bösen nicht.
Ich hasse keinen, keiner tut mir leid.
Ich bin die Zeit.
Da ist nur eins, – das sei euch anvertraut:
Ihr seid zu laut!
Ich höre die Sekunden nicht,
Ich hör’ den Schritt der Stunden nicht.
Ich hör’ euch beten, fluchen schrei’n,
Ich höre Schüsse zwischendrein;
Ich hör’ nur Euch, nur Euch allein …
Gebt acht, ihr Menschen, was ich sagen will:
Seid endlich still!
Ihr seid ein Stäubchen am Gewand der Zeit, –
Lasst euren Streit!
Klein wie ein Punkt ist der Planet,
Der sich samt euch im Weltall dreht.
Mikroben pflegen nicht zu schrei’n.
Und wollt ihr schon nicht weise sein,
Könnt ihr zumindest leise sein.
Schweigt vor dem Ticken der Unendlichkeit!
Hört auf die Zeit!
Eisenbahngleichnis
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und reisen quer durch die Zeit.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir fahren alle im gleichen Zug.
Und keiner weiß, wie weit.
Ein Nachbar schläft, ein andrer klagt,
ein dritter redet viel.
Stationen werden angesagt.
Der Zug, der durch die Jahre jagt,
kommt niemals an sein Ziel.
Wir packen aus, wir packen ein.
Wir finden keinen Sinn.
Wo werden wir wohl morgen sein?
Der Schaffner schaut zur Tür herein
und lächelt vor sich hin.
Auch er weiß nicht, wohin er will.
Er schweigt und geht hinaus.
Da heult die Zugsirene schrill!
Der Zug fährt langsam und hält still.
Die Toten steigen aus.
Ein Kind steigt aus, die Mutter schreit.
Die Toten stehen stumm
am Bahnsteig der Vergangenheit.
Der Zug fährt weiter, er jagt durch die Zeit,
und keiner weiß, warum.
Die erste Klasse ist fast leer.
Ein feister Herr sitzt stolz
im roten Plüsch und atmet schwer.
Er ist allein und spürt das sehr.
Die Mehrheit sitzt auf Holz.
Wir reisen alle im gleichen Zug
zur Gegenwart in spe.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und viele im falschen Coupé.
Du kennst noch ein gutes Geburtstagsgedicht von Erich Kästner? Dann lass es mich in den Kommentaren wissen!