Wehensturm. Wenn Du Dich jetzt fragst, was das sein soll, geht es Dir wie mir in der ersten Schwangerschaft: Ich hatte keine Ahnung, dass es einen Wehensturm überhaupt gibt – und es hat mich auch niemand aufgeklärt. Dabei hätte es mir während der Geburt meines ersten Kindes viel Leid und Überforderung erspart, wenn ich gleich richtig hätte einordnen können, was da passiert. Stattdessen wurde ich vorbereitet auf eine Geburt mit Wehenpausen, Positionswechseln und einem “normalen” Ablauf. Damit Du zumindest weißt, was passieren kann, lies Dir diesen Artikel durch – aber lass Dir keine Angst machen, ein Wehensturm ist ein sehr seltenes Ereignis bei einer Geburt!
Themen des Beitrags
Was ist ein Wehensturm?
Von einem Wehensturm spricht man, wenn Wehen zu heftig (> 80-90 mm Hg) sind, zu häufig kommen (mind. 5 pro 10 min) oder beides parallel. Im medizinischen Fachjargon spricht man von “hyperaktiver Wehentätigkeit”.
Bei den meisten Frauen kommt diese hyperaktive Wehentätigkeit dann vor, wenn eine medikamentöse Einleitung der Geburt vorgenommen wurde. Aber auch ein natürlicher Wehensturm kann vorkommen, wenn eine Frau physiologisch zu übermäßigen Wehen neigt. Viele Medizinier glauben, dass eine Frau dann bei jeder Geburt so starke bzw. häufige Wehen entwickelt, das muss aber nicht immer so sein.
In jedem Fall ist ein Wehensturm eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten und kann im schlimmsten Fall sogar Auswirkungen auf das Baby haben, das gerade zur Welt kommt. Wenn der Wehensturm sich nämlich nicht von selbst oder mit medikamentöser Unterstützung legt, also über längere Zeit andauert, können als Folge auftreten:
- Uterusruptur (Reißen der Gebärmutter)
- unregelmäßige Herztöne beim Baby
- im schlimmsten Fall ein Sauerstoffmangel beim Baby
- traumatische Geburtserfahrung für Mutter und / oder Kind
Wenn ein Wehensturm im Krankenhaus auftritt, wird er darum meist mit einem Tokolytikum behandelt. Auch bei einer Hausgeburt oder im Geburtshaus kann die Hebamme Medikamente gegen einen Wehensturm einsetzen. Dann erfolgt anschließend aber ausnahmslos immer eine Verlegung in ein Krankenhaus.
Wenn die Gesundheit vom Baby akut in Gefahr ist, kann sogar ein Notkaiserschnitt erfolgen.
Wie fühlt sich ein Wehensturm an?
Wie genau sich hyperaktive Wehentätigkeit anfühlt, ist schwer zu beschreiben. Vor allem für Erstgebärende gibt es ja keinen Vergleich davon, was “normal” ist. Dass die Geburtswehen in der Schmerzintensität bei Weitem übersteigen, was Du kennst oder Dir vorgestellt hattest, ist für viele Frauen normal. Wenn Du Dich aber dermaßen überrollt fühlst, die Wehenpausen gar nicht wahrnehmen oder zur Entspannung nutzen kannst, wäre es zumindest möglich, dass es sich um einen Wehensturm handelt. Sprich das auf jeden Fall bei der betreuenden Hebamme an, denn sie kann das überprüfen.
Mediziner achten auf folgende Kriterien, um einen Wehensturm zu erkennen und zu dokumentieren:
- sehr häufige Wehen bzw.
- Wehen ohne Pause
- Wehenschmerz auch in der Wehenpause
- ungewöhnlich stark erscheinende Wehen
- auftretende Todesangst bei der Mutter
- starker Druck auf den Muttermund
- Druckempfindlichkeit am Muttermund
- Uterus ist dauerhaft hart und unbeweglich
Anhand dieser Beobachtung, eines CTGs und dem regelmäßigen Abtasten entscheiden die Fachpersonen dann, ob es sich um einen potentiell gefährlichen Wehensturm handelt, oder ob man noch abwarten kann. Denn eine Intervention mit Medikamenten kann unnötig und ungünstig in der Geburtsverlauf eingreifen. Nicht selten wirken die Wehenhemmer so stark, dass danach ein Wehentropf nötig ist, um sie wieder anzuregen. Ein Teufelskreis aus medikamentöser Intervention.
Wenn er natürlich auftritt, kann ein Wehensturm sich auch von selbst wieder legen. Versuche, Dich trotz allem zu entspannen und mit, nicht gegen die Wehen zu arbeiten. Hypnobirthing kann dabei nicht schaden, häufig fühlen sich Frauen aber so überrollt, dass sie nichts davon anwenden können. Ansonsten können noch Wärme und Entspannung im Wasser helfen, sowie eine Entlastung des Muttermundes, z.B. im Vierfüßlerstand.
Ursachen für einen Wehensturm
Ich persönlich habe mich im Nachhinein oft gefragt, warum so ein Wehensturm ausgerechnet bei mir passiert ist. Zwei Mal. Mir hat es stark weiter geholfen, mir eine Ursache zusammen zu reimen. Grundsätzlich kommt dafür in Betracht:
- Geburtseinleitende Medikamente (Cytotec!)
- Wehencocktail
- Wehentropf während der Geburt (Oxytocin)
- Fruchtwassersucht
- hohes Geburtsgewicht
- vorzeitige Plazentaablösung
- Lageanomalie oder ungünstige Position des Kopfes im Becken
- Geburtseinleitung durch Eröffnung der Fruchtblase
- sehr langsame Öffnung des Muttermundes
- Mehrlingsschwangerschaft (Überdehnung des Muttermundes)
- schwallartiger Abgang von viel Fruchtwasser durch Blasensprung
Es kann aber auch ohne einen nachvollziehbaren Grund zu einem Wehensturm kommen, vermutlich, wenn Dein Körper einfach zu viel Oxytocin ausschüttet. Hier wird schnell klar: Ein Wehensturm lässt sich selten vermeiden oder vorbeugen – vorausgesetzt, medizinische Interventionen oder eine Geburtseinleitung werden nur vorgenommen, wenn tatsächlich notwendig. Du musst also auch nicht die Schuld bei Dir suchen, wenn Du eine Geburt mit Wehensturm erlebt hast.
Psychische Folgen eines Wehensturms
Wenn die Geburt mit Wehensturm hoffentlich gut verlaufen ist, Du also ein gesundes Kind auf dem Arm hältst, bedeutet das leider nicht unbedingt, dass alles vorbei ist. Denn so eine brachiale, überwältigende Schmerzerfahrung zieht nicht selten ein Trauma nach sich. Traumata entstehen aus einem Gefühl der Ohnmächtigkeit, wenn Du also weder dem Flucht- noch dem Kampfinstinkt bei Gefahr oder Schmerzen nach gehen kannst, sondern Dich mehr oder weniger ausgeliefert fühlst. Genau so eine Situation ist eine Geburt für Frauen mit Wehensturm. Wenn dann noch unsensibles oder gar übergriffiges Verhalten vom Krankenhauspersonal dazu kommt, kann es lange dauern, bis die seelischen Wunden heilen.
Wichtig ist zunächst einmal, das Geburtstrauma durch den Wehensturm als solches anzuerkennen. Auch, dass Du traurig bist um die Geburt, die Du vielleicht gerne gehabt hättest, darf Raum bekommen. Wenn Du das Gefühl hast, selbst nicht weiter zu kommen, nimm professionelle Hilfe in Anspruch. Ansonsten kann hier viel Zeit und möglichst viel Ruhe helfen, alles zu verarbeiten. Sprich mit Deinem Partner, Deiner Familie oder Freunden, die Dich mit dem Neugeborenen unterstützen können.