Der Schwangerschaftstest lag auf der Ablage im Bad und ich wartete. An meiner Seite mein 3-jähriger, mittlerweile 16 kg schwer. “Ich will auch sehen” – er wollte hoch gehoben werden. Und zum ersten Mal stellte ich mir die Frage: Wie schwer darf ich in der Schwangerschaft eigentlich heben und tragen?
Natürlich hob ich ihn diesmal noch hoch, immerhin war ich erst in der 4. Woche schwanger und körperlich noch völlig unbeeinträchtigt. Doch nachdem der Test positiv war, wollte ich es für die Zukunft genauer wissen, damit ich nicht zu schwer hebe und damit mich und mein Baby gefährde. Deshalb wollte ich folgende Fragen beantwortet wissen:
- Wie viel kg darf eine Schwangere heben?
- Darf ich andere schwere Gegenstände heben und tragen?
- Ab wann sollte ich schweres Heben in der Schwangerschaft vermeiden?
- Darf ich mein Kleinkind während der Schwangerschaft tragen?
Die Ergebnisse meiner Recherche haben mich selbst ein wenig überrascht.
Themen des Beitrags
Wie viel Kilogramm darf eine Schwangere heben?
Schwer heben auf Arbeit
Wie wahrscheinlich viele andere auch, dachte ich irgendwie, dass Schwangere nicht mehr als 5 kg heben sollten. Tatsächlich gibt es diese Kilogrenze – für schwangere Beschäftigte in einem Arbeitsverhältnis. Denn im Arbeitsschutzgesetz wurde festgelegt, dass Schwangere keine Tätigkeiten ausführen dürfen, bei denen sie regelmäßig mehr als 5 kg oder gelegentlich mehr als 10 kg heben müssen. Das heißt, der Arbeitgeber muss der Schwangeren dann entweder eine andere Arbeit zuweisen, oder sie freistellen.
Wenn der Arbeitgeber das nicht tut bzw. sich mit der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes Zeit lässt, kann auch jeder Arzt ein Beschäftigungsverbot ausstellen.
Risiko und Folgen: Schadet schweres Heben in der Schwangerschaft?
Eine medizinische Grundlage dafür, dass Schwangere nur die 5 kg bzw. 10 kg heben dürfen, gab und gibt es bis heute nicht.
Allerdings ist klar, dass eine Überbelastung in der Schwangerschaft unbedingt vermieden werden sollte. Auch ist das Risiko für Rückenschmerzen oder Hüftprobleme in der Schwangerschaft erhöht.
Im normalen Alltag können Frauen meist auf ihren Körper hören und ihre aktuelle Tagesverfassung berücksichtigen, wenn es um schweres Heben geht. Das ist in der Arbeitswelt nicht möglich und würde im schlimmsten Fall sogar als Arbeitsverweigerung mit einer Abmahung geahndet.
Deshalb ist diese Arbeitsschutz-Regelung für schweres Heben in der Schwangerschaft durchaus sinnvoll. Aber macht sie deshalb auch für meinen Alltag Sinn?
Folgen – Was kann passieren, wenn man zu schwere Sachen in der Schwangerschaft hebt?
Tatsächlich gibt es keine Untersuchungen oder gar Studien an menschlichen Teilnehmern die belegen, ob schweres Heben in der Schwangerschaft einer gesunden Mutter oder ihrem Baby schadet.
Denn natürlich wären solche Versuche ethisch nicht tragbar – man müsste Schwangere so lange und so schwer heben lassen, bis sich Schäden nachweisen ließen. Das würde kein Arzt und vor allem keine Schwangere mitmachen. Natürlich kann man aber Beobachtungsstudien durchführen, die Rückschlüsse darauf geben, dass zu schweres Heben zu Problemen führen kann.
Die 5-Kilo-Grenze aus der Arbeitswelt scheint aber keinesfalls auf das Familienleben und den Alltag in der Schwangerschaft übertragbar zu sein.
Manche Frauen berichten auch davon, dass sie Unterleibsschmerzen nach schwerem Heben wahrgenommen haben. Solltest Du einmal zu schwer gehoben haben und ein Ziehen im Unterleib spüren, konsultiere bitte sofort einen Arzt. Gleiches gilt für Blutungen und andere Schmerzen, die als Folge des zu schweren Hebens in Frage kommen.
Risiko für Frühgeburt durch zu schweres Heben in der Schwangerschaft?
Während man früher dachte, schweres Heben oder Tragen könnte sogar eine Frühgeburt auslösen, geben die meisten Ärzte dahingehend heute Entwarnung. Es scheint keinen Zusammenhang zwischen gelegentlich schwerem Heben im häuslichen Bereich in der Schwangerschaft und dem Risiko einer Frühgeburt zu geben.
In der Arbeitswelt sehen die Zusammenhänge da anders aus – aber hier ist es nach deutschem Recht ja ohnehin verboten, schwer zu heben, wenn man schwanger ist. Amerikanischen Beobachtungsstudien zufolge erhöht sich das Risiko für eine Frühgeburt oder geringes Geburtsgewicht, wenn Schwangere im Beruf länger als 2,5 Stunden stehen oder über den Tag verteilt mehr als 100 kg heben. Einen Zusammenhang zwischen dem Heben von Lasten, die schwerer als 11 kg sind und Schwangerschaftskomplikationen konnten die Studien nur sehr schwach nachweisen. In der Zusammenfassung heißt es: Die “Ergebnisse bleiben jedoch widersprüchlich und nicht schlüssig”.
Einkäufe, Koffer und Babys tragen – Ab wann sollten Schwangere im Alltag nichts schweres mehr heben?
Solange Du Dich als Schwangere fit und stark genug fühlst, darfst Du also auch heben und tragen – auch mehr als 5 kg. Eine vorgeschriebene Kilogrenze, bis zu der das Heben in der Schwangerschaft als sicher gilt, gibt es nicht.
Deine Belastungsgrenze hängt immer auch von der körperlichen Verfassung und dem Trainingsstand der Muskulatur ab. Das heißt, wenn Du es gewohnt bist, viel und schwer zu heben, wirst Du auch schwanger etwas müheloser und mehr heben können als andere schwangere. Natürlich auch immer davon abhängig, ob Du dich noch in der Frühschwangerschaft oder schon zum Ende der Schwangerschaft befindest.
Pass aber trotzdem beim Bücken und Heben auf deinen Rücken auf und überlasse im Zweifel das schwere Heben und Tragen jemand anderem – falls das möglich ist.
Richtig heben in der Schwangerschaft
Auch wenn Heben in der Schwangerschaft also nicht per se verboten ist, so solltest Du doch nicht ohne Rücksicht auf Verluste jede Last tragen.
Achte auf Deinen Körper und seine Signale. Wenn es Dir zu viel wird, wirst Du es sicherlich spüren – solange Du langsam und achtsam vorgehst. Achte außerdem auf richtiges Heben.
In der Schwangerschaft sind viele Frauen besonders anfällig für Rückenschmerzen und Hüftprobleme. Außerdem sind Deine Bänder und Sehnen durch die Schwangerschaftshormone gelockert, das solltest Du bedenken.
Rückenschonendes Heben macht übrigens auch außerhalb der Schwangerschaft Sinn.
Wie sollten Schwangere richtig heben und tragen, um Schmerzen zu vermeiden?
Es kommt darauf an, dass Du nicht aus dem Rücken, sondern aus den Beinen heraus hebst. Das heißt, Du solltest, wenn Du dich bückst und etwas vom Boden aufhebst, zuerst in die Knie gehen und dann gerade wieder nach oben kommen.
Wenn Du Dich nach vorne beugst, um etwas hochzuheben, dann belastet das vor allem Deinen Rücken und ist deshalb nicht zu empfehlen.
Beim Tragen von schweren Gegenständen, achte immer darauf, kein Hohlkreuz zu machen. Sobald Du das tust, verlagerst Du das Gewicht von Deinen Armen auf Deine Wirbelsäule.
Schwanger mit dem 2. Kind – Baby tragen trotz erneuter Schwangerschaft
Auch biologisch würde es wenig Sinn machen, wenn Schwangere niemals mehr als 5 kg heben dürften. Denn nach den ersten paar Lebenswochen wiegt jedes Baby schon mehr.
Während es in der ersten Schwangerschaft noch leichter fällt, sich dahingehend zu schonen, bleibt für viele Mütter in der zweiten Schwangerschaft wenig Spielraum, weil das größere Baby oder Kleinkind auch Bedürfnisse hat. Viele Kinder wollen auch im Kleinkindalter noch die Nähe und Fürsorge des Tragens genießen oder können über lange Strecken einfach nicht mehr laufen.
Baby oder Kleinkind während der Schwangerschaft im Tragetuch oder Babytrage tragen
Das Tragen auf dem Arm kann eine gute vorübergehende Lösung sein. Über längere Strecken wollen aber vor allem Mütter, die das gewohnt sind, ihre Kinder weiterhin im Tragetuch oder in der Komfort-Babytrage tragen. Zum Glück ist das in vielen Fällen bis zur Geburt möglich – vorausgesetzt, man stellt es richtig an.
Was müssen Schwangere bei Babytragen und Tragehilfen beachten
Denn das allerwichtigste, wenn Du schwanger bist und dein Baby oder Kleinkind tragen willst, ist, dass der Hüftgurt der Babytrage bzw. Strang des Tuchs nicht direkt über den Babybauch gelegt wird.
Stattdessen muss er unter oder über dem Bauch verlaufen. Denn sonst wird zu viel Druck auf den Uterus ausgeübt, was im schlimmsten Fall zu einem Riss führen kann. In jedem Fall aber ist es ein unangenehmes Gefühl im Bauch, das Du niemals ignorieren solltest. So sagt Dein Körper Dir gleich, ob die Tragehilfe richtig gebunden ist.
Tragetuch binden in der Schwangerschaft
Wenn Du das Tragetuch über dem Babybauch bindest, sollte Dein Baby, das darin sitzt, nicht von oben auf den Bauch drücken. Das wäre ebenfalls unangenehm und im schlimmsten Fall gefährlich. Solange Du noch eine flache Hand ohne Quetschen zwischen Babypopo und Bauch schieben kannst, sitzt Dein Kind richtig.
Rückentrage in der Schwangerschaft
Viele Mütter tragen in der Schwangerschaft aber ohnehin lieber auf dem Rücken. (Auch das Tragetuch kann man auf den Rücken binden, wenn man schwanger ist). Das vermeidet nicht nur, dass das Baby wie oben beschrieben auf den Bauch drückt. Es ist auch schonender für die Rücken- und Beckenbodenmuskulatur.
Die meisten Babys kann man auf dem Rücken tragen, wenn sie etwa 4-5 Monate alt sind.
Fazit: Darf ich also alles heben in der Schwangerschaft?
Insgesamt scheint Tragen und Heben in der Schwangerschaft also nicht annähernd so gefährlich zu sein, wie suggeriert wird. Was Du Dir zutraust und ohne Schmerzen oder Überanstrengung tragen kannst, das darfst Du auch tragen.
Allerdings bedeutet das nicht, dass keine Last und keine Anstrengung Deinem Körper etwas anhaben können. Vor allem bei sehr schweren Dingen, die Du auch außerhalb der Schwangerschaft nicht gewöhnt bist, solltest Du trotzdem vorsichtig sein. Denn auch wenn es keine Hinweise in der Forschung gibt, wie schwer zu schwer ist, so ist Dein Körper doch in einem Ausnahmezustand.
Sicherheitshalber solltest Du Dich daher nicht überanstrengen.
Auf Pinterest merken:
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0002937819311433
Da ja zur Schwangerschaft so viele selbsterfühlte Expertinnen und Halbinformierte ihre Meinungen als Fakten verkaufen: Doch, es gibt einige wissenschaftliche Studien zum Heben in der Schwangerschaft. Genug, damit daraus sogar eine “Zusammenfassungsstudie” (Metaanalyse) errechnet werden konnte (siehe Link).
Und ich hoffe, den meisten Lesern ist auch bekannt, wie Statistik funktioniert: Klar gibt es Gegenbeispiele, in denen Kinder schwer hebender Mütter gesund zur Welt kommen. Aber in der Menge betrachtet (!) erhöht Heben (im Beruf) halt die Chance (!) von u.a. Fehlgeburten und (falls zusammengerechnet mehr als 100kg pro Tag) Frühgeburten bzw. niedrigem Geburtsgewicht. Konkret: Frauen, die im Beruf entsprechend mehr heben, haben ein grob 30-fach höheres Risiko für derlei Probleme, als Frauen, die’s nicht tun.
[Studien zu Frauen, die privat heben, sind nicht eingeschlossen.]
Hallo liebe(r) Unbekannte,
vielen Dank für diesen konstruktiven und kritischen Beitrag.
Zunächst einmal gebe ich nirgends etwas anderes an als dass ich recherchiere und gut verständlich Informationen zusammenfasse.
Zur genannten Metaanalyse, deren Inhalt meinem Text nicht im geringsten widerspricht (es ist die Rede davon, dass die Ergebnisse nicht eindeutig sind und die Studie bezieht sich ausschließlich auf die Arbeitswelt, wo das heben ohnehin verboten ist. Mein Artikel bezieht sich auf das Privatleben), habe ich einen Absatz hinzugefügt. Vielen Dank für den Hinweis.
Viele Grüße,
Hanna
Hallo Hanna!
Danke für die Antwort! Mein Beitrag sollte auch mehrheitlich eine (wissenschaftlich fundierte) Ergänzung sein. Widerspruch nur insofern, daß es da keine Studien gäbe und geben könnte [eine Ansicht, die auch anderswo im Internet steht, keine Ahnung, wer das von wem hat) – offenbar gibt’s sogar genug für eine Metaanalyse. 🙂
Jedenfalls danke fürs Einarbeiten – genau für so etwas hatte ich’s hier auch geschrieben, damit andere Frauen es finden, so wie ich als ersten (?) Treffer Deine Seite fand. 🙂
VG,
Ann