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Ungewisse Studienlage: Ist Paracetamol ist in der Schwangerschaft doch schädlich?

Hanna Bose - Examinierte Lehrkraft und zertifizierte Fachkraft für babyfreundliche Beikost von Hanna Bose - Examinierte Lehrkraft und zertifizierte Fachkraft für babyfreundliche Beikost
28. März 2019 - Aktualisiert am 3. Dezember 2024
in Schwangerschaft
Lesedauer: 6 mins read
2
Frau nimmt Paracetamol in der Schwangerschaft
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Schmerzen sind in der Schwangerschaft ein häufiges Thema. Rückenschmerzen zum Beispiel oder Kopfschmerzen. Viele Menschen sind daran gewöhnt, in solchen Situationen Schmerzmittel einzunehmen. Doch in der Schwangerschaft sind Medikamente mit Vorsicht zu genießen, denn die allermeisten entfalten ihre Wirkung auch beim ungeborenen Baby – und das nicht immer so, wie für Erwachsene gedacht.

Seit etwa 50 Jahren wird Paracetamol als harmlos während der gesamten Schwangerschaft angepriesen – doch seit einigen Jahren häufen sich die Hinweise, dass das so nicht stimmt.

Welche Auswirkungen Paracetamol in der Schwangerschaft auf die spätere Entwicklung Deines Babys hat und ob Du nun Paracetamol einnehmen darfst oder nicht, wird dieser Artikel zusammenzufassen.

Themen des Beitrags

  • Schmerzmittel in der Schwangerschaft
    • Wie viele Frauen nehmen Schmerzmittel in der Schwangerschaft?
  • Mögliche Nebenwirkungen von Paracetamol in der Schwangerschaft
  • Wie glaubhaft ist der aktuelle Wissenstand zu Paracetamol während der Schwangerschaft?
    • Ungenaue Studienlage und nicht repräsentative Ergebnisse
    • Studien zeigen Tendenz zum Risiko bei der Einnahme von Paracetamol
  • Ich habe Paracetamol in der Schwangerschaft eingenommen – ist mein Kind jetzt geschädigt?
  • Darf ich Paracetamol in der Schwangerschaft einnehmen?
  • Alternativen zu Paracetamol (und Schmerzmittel) in der Schwangerschaft
    • Bei Rücken- und Gelenkschmerzen
    • Bei Kopfschmerzen
    • Bei Verspannungs- und Kopfschmerzen
    • Sonstige Schmerzen
    • Bei Rücken-, Verspannungs- und Kopfschmerzen

Schmerzmittel in der Schwangerschaft

Welche Schmerztabletten darf man in der Schwangerschaft nehmen? Ärzte empfehlen in den ersten beiden trimestern Ibuprofen und Paracetamol, danach nur noch Paracetamol.

Wenn Du Schmerzen hast, solltest Du diese in der Schwangerschaft vor Einnahme jeglicher Schmerzmittel immer ärztlich abklären lassen. Denn es könnte auch eine ernstere Ursache dahinter stecken, die Dich oder Dein Baby gefährdet. Auch das Medikament und Dosierung sowie Einnahmedauer musst Du mit dem Arzt besprechen – egal, was Quellen im Internet sagen.

Wenn Du schwanger bist, gibt es eigentlich nur 2 medikamentöse Schmerzmittel, die in Frage kommen:

  1. Ibuprofen
  2. Paracetamol

Ibuprofen darfst Du keinesfalls im letzten Schwangerschaftsdrittel einnehmen, denn dann könnte es Dein Baby schädigen.

Paracetamol ist ein sehr beliebtes Schmerzmittel, das von vielen Medizinern auch in der Schwangerschaft und Stillzeit als sicher eingestuft wird. Der Wirkstoff von Paracetamol ist wie Ibuprofen und die meisten Medikamente plazentagängig, das heißt, auch Dein Baby bekommt etwas davon ab.

Wie viele Frauen nehmen Schmerzmittel in der Schwangerschaft?

Fast jede 2. Frau nimmt Schmerzmittel in der Schwangerschaft ein. Von denen, die zu Schmerzmittel greifen, nehmen 40% Paracetamol als Hauptmedikation gegen Schmerzen während der Schwangerschaft.

Die Aufnahmefrequenz und Dosierung von Paracetamol variiert zwischen den Frauen und ist insgesamt eher niedrig mit einer Tendenz zu höheren Einnahme-Frequenzen und höheren Dosierungen im dritten Trimester.

Zur Infografik mit Studien-Erkentnissen aus: (Dec 2017) Paracetamol Medication During Pregnancy: Insights on Intake Frequencies, Dosages and Effects on Hematopoietic Stem Cell Populations in Cord Blood From a Longitudinal Prospective Pregnancy Cohort

Mögliche Nebenwirkungen von Paracetamol in der Schwangerschaft

Doch wie gesagt gibt es seit einigen Jahren Studien und Untersuchungen, die verschiedenste Auswirkungen von Paracetamol (und auch Ibuprofen) auf Dein ungeborenes Baby bzw. sein späteres Leben vermuten lassen.

Diskutierte Nebenwirkungen von Paracetamol in der Schwangerschaft sind unter anderem:

  • Fehlbildungsrisiko erhöht, wenn im ersten Trimester eingenommen
  • Gastroschisis, wenn in Kombination mit einem anderen Wirkstoff eingenommen
  • Hodenhochstand, wenn im 1. oder zu Beginn des 2. Trimesters eingenommen
  • Asthmatische Beschwerden im späteren Leben des Kindes
  • Abweichungen von Verhaltensparametern und motorischen Fähigkeiten im Alter von 3-7 Jahren
  • Beeinflussung der Sprachentwicklung
  • Beeinflussung der Gehirnentwicklung
  • Begünstigung von ADHS und Hyperaktivität
  • Störung der mütterlichen Hormonproduktion
  • Schädigung der embryonalen Keimzellen (Unfruchtbarkeit)
  • Verringerung der hämatopoetischen Stammzellen im Nabelschnurblut

Wie glaubhaft ist der aktuelle Wissenstand zu Paracetamol während der Schwangerschaft?

Das Problem mit groß angelegten, repräsentativen Studien an Schwangeren ist immer dasselbe: Mit Medikamenten oder anderen möglicherweise schädigenden Substanzen wird es solche nicht geben. Denn das wird in der Wissenschaft als unethisch betrachtet, immerhin geht man das Risiko ein, ungeborenes Leben nachhaltig zu schädigen.

Aus demselben Grund würde man auch die Teilnehmer nicht finden – wer gefährdet schon gerne sein eigenes Kind um der Wissenschaft willen?

Ungenaue Studienlage und nicht repräsentative Ergebnisse

Die Studien, die auf die oben genannten Effekte von Paracetamol in der Schwangerschaft hindeuten, sind deshalb meist klein angelegt und wenig kohärent. Nicht alle freiwilligen Studienteilnehmer verhalten sich so, wie es in einer groß angelegten Studie mit Kontroll- und Placebogruppen vorgegeben wäre. Viele steigen im Laufe der Zeit aus oder beantworten entsprechende Rückfragen ungenau.

Mögliche andere Einflussfaktoren vor und nach der Geburt können oft nur unzureichend mit einbezogen werden und die Ergebnisse widersprechen sich teilweise. So stellte eine Studie zum Beispiel fest, dass eine Paracetamol-Einnahme des Vaters während der Schwangerschaft genauso signifikante Auswirkungen auf die untersuchten Folgen (Sprachentwicklung beim Kind) hatte, wie bei der Mutter.

Biologisch ist das natürlich nicht möglich, denn vom Vater kann kein Wirkstoff auf das ungeborene Baby übergehen. Es scheint also andere Zusammenhänge zu geben.

Eine andere Studie belegt eine signifikante negative Auswirkung von Paracetamol während der Schwangerschaft auf die Sprachentwicklung von Mädchen, jedoch eine positive auf die von Jungs. Auch das wäre biologisch nicht erklärbar.

In den aktuelleren Studien fehlt die Angabe von Einnahmedauer und Dosierung – dadurch ist es schwierig, Zusammenhänge nachzuvollziehen. Außerdem konnte nur ein Bruchteil der Studienteilnehmer bis zum Alter von 3 Jahren verfolgt werden. Es ist also nicht auszuschließen, dass auch diese Selektion bestimmten Regelmäßigkeiten folgt und die Ergebnisse beeinflusst.

2022 wurde eine Studie veröffentlicht, die mehr als 2000 Schwangere bzw. Kinder untersuchte. Den Ergebnissen zufolge steigt mit der Einnahme von Paracetamol die Häufigkeit von Schlaf- und Aufmerksamkeitsproblemen.

Studien zeigen Tendenz zum Risiko bei der Einnahme von Paracetamol

Trotzdem weisen diese Untersuchungen darauf hin, dass Paracetamol nicht so harmlos ist, wie es seit Jahrzehnten angenommen wird.

Die Toxizität des Wirkstoffs in hohen Dosen gilt als erwiesen, eine schädigende Wirkung in kleineren Dosen ist also zumindest im Bereich des Möglichen.

Auch Pharmaunternehmen und Befürworter von Paracetamol in der Schwangerschaft weisen immer wieder darauf hin, dass Paracetamol vor allem in der Schwangerschaft kein Lifestyle-Produkt ist und nicht unkritisch oder über längeren Zeitraum eingenommen werden werden darf.

Gleichzeitig gibt es Quellen, zum Beispiel die Schmerzklinik Kiel, die darauf verweisen, dass die Wirksamkeit von Paracetamol marginal ist. Das heißt, dass viele Menschen – auch Schwangere – es einnehmen, ohne, dass die Schmerzen tatsächlich erträglicher werden.

Diese Tatsache hebelt auch eines der Hauptargumente der Befürworter von Paracetamol in der Schwangerschaft aus. Dieses lautet nämlich:

Es gebe – vor allem im letzten Trimester – keine Alternativen, die ungefährlicher oder besser verträglich wären. Die Frage sei nun also, ob es bedenklicher sei, vorübergehend Paracetamol einzusetzen, oder Schmerzen / Fieber unbehandelt zu lassen.

Wenn man nun davon ausgeht, dass Paracetamol in den wenigsten Fällen eine echte Schmerzlinderung bringt, muss die Schwangere also im Zweifelsfall die Schmerzen erdulden und mit den möglichen Risiken für ihr ungeborenes Kind leben.

Ich habe Paracetamol in der Schwangerschaft eingenommen – ist mein Kind jetzt geschädigt?

Wenn Du bereits Paracetamol während der Schwangerschaft eingenommen hast, sind Schuldgefühle trotzdem fehl am Platz. Es gibt definitiv keinen nachgewiesenen 1:1-Zusammenhang zwischen Paracetamol und den oben genannten Auffälligkeiten im späteren Leben.

Du musst also nicht in den nächsten Jahren Dein Kind beobachten und Dich fragen, wann das von Dir verursachte ADHS-Syndrom auftreten wird. Wahrscheinlich ist es so, dass es den allermeisten Kindern trotz Paracetamol gut geht.

Darf ich Paracetamol in der Schwangerschaft einnehmen?

Die entscheidende Frage ist nun also: Soll ich bzw. darf ich Paracetamol in der Schwangerschaft nehmen? Und wenn ja wie viele, welche und wie oft?

Die Entscheidung kann Dir am Ende niemand abnehmen. Wenn es sich vermeiden lässt, solltest Du meiner Meinung nach definitiv davon absehen und auf unten aufgeführte Alternativen zur Schmerzlinderung zurückgreifen. So vermeidest Du mögliche Risiken und Nebenwirkungen, auch wenn sie wissenschaftlich (noch) nicht erwiesen sind.

Die meisten Mediziner dagegen halten an der Empfehlung fest, im Zweifelsfall auf Paracetamol zurückzugreifen und nach wie vor nehmen sehr viele Schwangere zumindest gelegentlich Paracetamol ein.

Die Empfehlungen zur Dosierung von Paracetamol in der Schwangerschaft lauten wie folgt: Paracetamol kann auch in der Schwangerschaft ganz normal dosiert werden, je nach Schmerzen und Wirkung. Wie für alle Erwachsenen wird eine maximale Einzeldosis von 1-2 Tabletten Parcetamol 500 (entsprechend 500-1000 mg Paracetamol) und eine maximale Tagesdosis von 8 Tabletten Paracetamol 500 (entsprechend 4.000 mg Paracetamol) empfohlen.

Alternativen zu Paracetamol (und Schmerzmittel) in der Schwangerschaft

Vor allem bei leichten Schmerzen und schwangerschaftsbedingten Beschwerden macht es Sinn, zunächst andere Alternativen zu versuchen.

So können folgende Maßnahmen mindestens genauso effektiv gegen Schmerzen in der Schwangerschaft helfen:

Bei Rücken- und Gelenkschmerzen

Wärme-Behandlung durch:

  • Badewanne
  • Wärmflasche
  • Kirschkernkissen

Bei Kopfschmerzen

  • Pfefferminzöl oder Tiger-Balsam auf die Schläfen
  • Ruhe
  • Schlaf
  • Bewegung
  • frische Luft

Bei Verspannungs- und Kopfschmerzen

Verspannungen lösen durch:

  • Massagen
  • Akkupressur

Sonstige Schmerzen

  • Akkupunktur durch Arzt oder Hebamme

Bei Rücken-, Verspannungs- und Kopfschmerzen

  • Übungen zur Stärkung der Muskulatur und Entspannung (z.B. Yoga)

 

Quellen:

https://www.publichealth.pitt.edu/Portals/0/EOH/Journal%20Club/TomSpring2014.pdf

https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/1833486

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27533796

https://www.europsy-journal.com/article/S0924-9338(17)32989-9/pdf

https://www.schmerzklinik.de/2016/10/30/paracetamol-in-der-schwangerschaft-zeit-umzudenken/

https://www.ebiomedicine.com/article/S2352-3964(17)30422-X/fulltext

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0272593


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Hanna Bose ist examinierte Lehrkraft für die Schulform Gymnasium und zertifizierte Fachkraft für babyfreundliche Beikost. Neben Mutterinstinkte.de betreibt sie als Expertin für Baby-Ernährung außerdem noch das Infoportal Babyled-weaning.de. Hanna ist Mutter von drei Jungs (2015, 2019, 2022) und teilt ihre langjährige Expertise mit einer guten Portion Erfahrungswissen. Die veröffentlichten Artikel von Hanna orientieren sich stets am aktuellen Stand der Wissenschaft und sind gepaart mit einer kindgerechten, bedürfnisorientierten Sichtweise.

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Kommentare 2

  1. Kristin Peter-Krasniqi says:
    vor 6 Jahren

    Hallo, der Artikel ist sehr gut geschrieben. Ich glaube keine Mutter wird leichtfertig Schmerzmittel nehmen. Ich wollte das auch nicht, bis ich gestern eine Gallenkolik hatte. Ich hab lange darüber nachgedacht ob ich das aushalten will oder nicht. Ich habe mich für Paracetamol, nach Absprache mit Hausarzt und Frauenarzt, entschieden. Ich hoffe nach einmaliger Einnahme ist das Thema Galle bis zum Ende der Schwangerschaft erledigt. Ich hätte die Schmerzen nicht aushalten können. Liebe Grüße!

    Antworten
    • Hanna says:
      vor 6 Jahren

      Hallo Kristin,

      genau für solche Fälle wie Deinen ist es gut zu wissen, welches Schmerzmittel vermutlich am harmlosesten ist. Ansonsten sind leider nicht alle Mütter so bedacht und es gibt tatsächlich einige, die leichtfertig Schmerzmittel nehmen – nicht in böser Absicht, sondern weil sie es so gewohnt sind und überall steht, dass Paracetamol in der Schwangerschaft unschädlich ist.

      Ich wünsche Dir gute Besserung,
      viele Grüße,
      Hanna

      Antworten

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