Schwanger sein ist nicht einfach. Manchmal scheint es wie ein Minenfeld an Empfehlungen und Verboten und an jedem Ende steht eine potentielle Schädigung des ungeborenen Lebens. Ich weiß, dass das kompliziert und vielleicht manchmal übertrieben wirkt. Trotzdem solltest Du Dir bewusst sein, dass Du von Anfang an für das Leben Deines Babys mit verantwortlich bist – nicht erst nach der Geburt.
Sicherheitshalber solltest Du darum auf Lebensmittel und andere Stoffe, die Dein Kind nachhaltig schädigen, verzichten – so zum Beispiel auf Lakritze in der Schwangerschaft.
Themen des Beitrags
Was ist Lakritze?
Lakritze ist eine Süßigkeit, die Süßholzsaft aus der Süßholzwurzel bzw. Süßholzwurzelextrakt – und natürlich Zucker – enthält. Dadurch ergibt sich ein intensiver, einzigartiger süß-herber Geschmack, den manche unwiderstehlich finden, andere dagegen zum Davonlaufen. Bei uns in Deutschland findet man Lakritze meistens als Lakritzschnecken, Sallos Kaubonbons, Katjes Tappsy oder in einer Haribo-Mischung mit Zuckerüberzug und anderen Gummibärchen.
Der Stoff aus der Süßholzwurzel, um den es letztlich in der Schwangerschaft geht, ist aber auch in anderen Produkten wie Tees mit Süßholzwurzel, Lutschpastillen oder pflanzlichen Arzneimitteln enthalten. Denn der Saft der Süßholzwurzel wird seit vielen Jahrhunderten in der Medizin verwendet. In geringer Dosierung hat er tatsächlich positive Wirkung, zum Beispiel ist sie schleimlösend und hilft bei Magenschmerzen. Zu hoch dosiert kann der Wirkstoff allerdings auch abseits der Schwangerschaft zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Bluthochdruck oder Wassereinlagerungen führen.
Laut Bundesinstitut für Risikobewertung sollte deshalb täglich nicht mehr als 100 mg Glycyrrhizin aufgenommen werden. Das entspricht in Deutschland etwa 50g Lakritze.
Risiko & Auswirkungen von erhöhtem Lakritzverzehr
Als Risiko gelten neben dem erhöhten Blutdruck, die Gefahr einer Frühgeburt, sowie eine Störung der Lungenreifung des Säuglings.
In einer finnischen Studie auf die ich später noch einmal zurückkomme, traten folgende Auswirkungen auf die Kinder nach hohem Lakritzkonsum in der Schwangerschaft auf:
- bis zu 7 IQ-Punkte weniger
- ein 3,3-fach erhöhtes Risiko für Aufmerksamkeits- bzw. Hyperaktivitätsstörungen (ADHS)
- eine negative Beeinflussung ihrer Gedächtnisleistung
- eine negative Beeinflussung ihres räumlichen Vorstellungsvermögens
- einen geringeren Wortschatz
- eine verfrühte Pubertät bei Mädchen
- ein um durchschnittlich 8 kg höheres Körpergewicht bei Mädchen gegenüber ihren Altersgenossinnen
- eine um durchschnittlich 3 cm erhöhte Körpergröße
- einen 2,2-fach erhöhten BMI
Wenn Du jetzt denkst, eine verfrühte Pubertät sei ein marginales Problem, das nur mit Deinen Nerven zu tun hat, irrst Du Dich. Eine verfrühte Pubertät bei Kindern wird mit körperlichen und geistigen Störungen in Verbindung gebracht, einschließlich hormonell beeinflusster Krebserkrankungen, kardiometabolischer Störungen und psychischer Störungen wie Depressionen.
2002 hat eine andere finnische Studie gezeigt, dass ein erhöhter Lakritz-Konsum auch zu einem höheren Risiko einer Fehlgeburt führt. Angeblich soll zu viel Lakritze in der Schwangerschaft Wehen auslösen können.
Stresshormone können zum Ungeborenen vordringen
Als möglichen Grund für diese Beeinträchtigung des Babys im Mutterleib haben die Wissenschaftler folgende Theorie: Der im Süßholz enthaltene Stoff Glycyrrhizin hemmt ein Enzym in der Plazenta, das im Normalfall ca. 90% des Stresshormons Cortisol und andere Glukokortikoide blockiert. Gleichzeitig bewirkt Glyzyrrhizin eine Veränderung der Hormonproduktion in der Nebenniere, durch die das Stresshormon Cortisol vermehrt gebildet wird. So kann Cortisol in erhöhtem Maße zu Deinem Baby vordringen. Das hat langfristige Auswirkungen, die im Detail noch nicht ganz klar sind.
Lakritze meiden: Welche Folgen hat Lakritzkonsum in der Schwangerschaft
Langzeitschäden
Im Jahr 2010 bzw. 2017 wurden Ergebnisse einer Langzeit-Studie an der Universität Helsinki (Finnland) mit insgesamt über 400 teilnehmenden Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft regelmäßig mehr als 100g Lakritz gegessen hatten veröffentlicht. Die Kinder wurden über 12 Jahre lang begleitet.
Die Ergebnisse: Lakritz kann die körperliche und kognitive Entwicklung des Babys nachhaltig schädigen, wenn es in zu großen Mengen gegessen wird.
Erhöhte Level an Stresshormonen im späteren Leben
Auch im späteren Leben wurden bei Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft zu viel Lakritze gegessen hatten, um ein 3-faches höhere Cortisol-Werte gemessen, als bei gleichaltrigen Kindern. Ob nun aber genau dieses Hormon nun für die schädigende Wirkung von Lakritze in der Schwangerschaft verantwortlich ist, ist noch nicht abschließend geklärt, da es sich nur um Beobachtungsstudien handelt.
Wie viel Lakritze darf man in der Schwangerschaft essen?
Als kritische Menge legten die Forscher in der oben beschriebenen Studie mehr als 250g Lakritz beziehungsweise 500mg Glycyrrhizin pro Woche fest. Bis zu bis zu 125g Lakritz beziehungsweise 249mg Glycyrrhizin pro Woche galten demnach als nicht erhöhter Konsum.
Einen genauen Grenzwert, ab wann Lakritze in der Schwangerschaft gefährlich wird, konnten Forscher bisher nicht festlegen. Daher empfiehlt es sich, möglichst wenig oder gar keine Lakritze in der Schwangerschaft zu essen. Der Bundesverband der Frauenärzte e.V. zum Beispiel empfiehlt Schwangeren, besser ganz auf Lakritze und andere Nahrungsmittel mit Süßholzwurzelextrakt zu verzichten.
Lakritze in der Stillzeit
Gegen Lakritz in der Stillzeit spricht meines Wissens nichts, denn die Bildung von Muttermilch funktioniert ganz anders als die Versorgung über die Plazentaschranke.
Quellen:
- Mütterlicher Lakritzkonsum während der Schwangerschaft und Pubertät, kognitive und psychiatrische Ergebnisse bei Kindern. American Journal of Epidemiology , Band 185, Ausgabe 5, 1. März 2017, Seiten 317–328
- https://www.helling-imhof.de/8.html
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