Immer wieder höre ich, auch von Müttern, von denen ich eigentlich viel halte, dass ein einzelnes Gläschen Alkohol in der Schwangerschaft ja nicht schaden könne. Sie hätten bei ihren Kindern auch mal mit Sekt angestoßen und es habe ihnen nicht geschadet. Aber stimmt das wirklich?
Tatsächlich ist Alkohol in der Schwangerschaft, da sind sich heute alle Experten einig, auch in kleinen Mengen ungesund für das ungeborene Baby. Bei regelmäßigem Alkoholkonsum drohen schwerwiegende Entwicklungsverzögerungen und lebenslange Folgen für Motorik und kognitive Fähigkeiten. Man spricht dann vom fetalen Alkoholsyndrom (FAS). Eine Krankheit, deren Diagnose es vor einigen Jahren noch gar nicht gab.
Themen des Beitrags
Das fetale Alkoholsyndrom (FAS)
Wenn ein Mensch durch Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft dauerhafte körperliche und geistige Beeinträchtigungen erlitten hat, spricht man vom fetalen Alkoholsyndrom oder Alkoholembryopathie. Die Schädigungen durch den Alkoholmissbrauch am zentralen Nervensystem bewirken ein spezifisches polymorphes Fehlbildungssyndrom, das sowohl körperliche Fehlbildungen, als auch geistige, motorische und Verhaltens-Veränderungen zur Folge hat.
Wie viele Kinder sind von FAS betroffen?
Man geht davon aus, dass in Deutschland jährlich mindestes 10.000 Kinder geboren, die durch Alkohol in der Schwangerschaft geschädigt wurden. Etwa 10% davon leiden an den umfänglichen Folgen des fetalen Alkoholsyndroms, bei den anderen ist die Ausprägung leichter. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich weitaus höher, da viele Mütter nicht zugeben, während der Schwangerschaft getrunken zu haben oder schlicht nicht danach gefragt werden und so nicht in der Statistik zum Thema Alkohol in der Schwangerschaft auftauchen. Denn die Symptome des FAS sind beim Neugeborenen nicht immer sofort zu erkennen und anfänglich schwer von anderen Störungen oder Entwicklungsverzögerungen zu unterscheiden.
Diagnose
Eine FAS gilt als erwiesen, wenn alle dieser Kriterien zutreffen:
- Wachstumsverzögerungen
- Auffälligkeiten der Morphologie im Kopfbereich
- Schädigungen des Zentralen Nervensystems
- intrauterine Alkohol-Exposition (auch die unbestätigte Vermutung genügt)
Symptome
Die Symptome des FAS sind vielfältig. Einige sehr auffällige und häufige Symptome sind:
- geringes Geburtsgewicht
- geringer Saugreflex, Schluckstörungen
- Schäden an den Organenschädigungen, z.B. angeborene Herzfehler, Nierenfehlbildungen
- geringer Kopfumfang
- kleine Augen, verschieden große Augen
- Körperliche Missbildungen, z.B. des Kleinfingers, Hüftluxation, kleine Zähne
- Minderwuchs
- Missbildungen im Gesicht, z.B. Kiefer-Gaumen-Spalte
- Verhaltensauffälligkeiten, z.B. Hyperaktivität, aggressives Verhalten
- Auffälligkeiten der geistigen Entwicklung, z.B. Konzentrationsschwäche, Lernschwäche, verringerter IQ, Sprachstörungen,
- feinmotorische Störungen, Koordinationsstörungen
Leben mit dem fetalen Alkoholsyndrom
Das fetale Alkoholsyndrom ist eine der häufigsten angeborenen Erkrankungen in Deutschland – viel häufiger zum Beispiel als das Down-Syndrom. Im Gegensatz zu einer Fehlbildung durch Chromosomen-Aberrationen hat das FAS aber zahlreiche Ausprägungen und Schweregrade – abhängig von Zeitpunkt, Regelmäßigkeit und Menge des Alkoholmissbrauchs. Manchen Kindern sieht oder merkt man die Behinderung auf den ersten Blick nicht an und sie treffen darum nicht immer auf Verständnis ihrer Umgebung.
Im Gegensatz zu anderen angeborenen Beeinträchtigungen wäre das FAS zu 100% vermeidbar, würden Mütter in der Schwangerschaft konsequent auf Alkohol verzichten. Welche verheerenden Folgen die teils für Außenstehende nur sehr subtil wahrnehmbaren Beeinträchtigungen für Betroffene Kinder und Erwachsene hat, kann man sich in der Schwangerschaft vielleicht noch nicht so richtig vorstellen.
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Eine Behandlung oder Heilung ist nicht möglich. Betroffenen und ihren Eltern – oder häufig Pflege- bzw. Adoptiveltern bleibt nur, das beste aus der Situation zu machen und die Lebensumstände so anzupassen, dass sie dem Kind trotzdem ein glückliches Leben ermöglichen.
Wir wirkt Alkohol in der Schwangerschaft?
Im Gegensatz zu anderen Giftstoffen wie Schwermetallen kann die Plazentaschranke Alkohol im Blut der Mutter nicht vom Organismus des Babys fernhalten. So entspricht die Alkoholkonzentration im Blut des Kindes innerhalb kürzester Zeit 1:1 dem Blutalkohol der Mutter.
Folgen für das Baby
Im Gegensatz zum Erwachsenen fehlen dem Fötus im Mutterleib die nötigen Enzyme, um Alkohol wieder abzubauen. So können sich toxische Stoffe in bestimmten Gewebsstrukturen anreichern und dort über einen längeren Zeitraum Schaden anrichten, als die Mutter Alkohol im Blut hat.
Auf einen sich noch entwickelnden Organismus hat das noch viel verheerendere Folgen als auf den eines erwachsenen Menschen. Vor allem die Entwicklung des zentralen Nervensystems wird beeinträchtigt und bestehende Strukturen geschädigt. So verändert sich zum Beispiel die Art, wie die Gehirnstrukturen über die Synapsen miteinander verknüpft sind. So sind die Verknüpfungen teils fehlgeleitet oder werden einfach nicht gebildet.
Nicht nur der Alkohol selbst, auch das Abbauprodukt Acetaldehyd wirken dabei toxisch auf verschiedenen Ebenen: Als Mitosegift, auf die Organbildung, als neurotoxische Substanz auf das zentrale Nervensystem aber auch als Suchtmittel, sodass Babys kurz nach der Geburt an Entzugserscheinungen leiden.
Für das spätere Leben hat dies zur Folge, dass sie leichter Alkohol und anderen Suchtmitteln zum Opfer fallen. Schätzungen zufolge betrifft das bis zu 40% der Menschen, die unter dem FAS leiden.
Wann ist Alkohol in der Schwangerschaft am schädlichsten?
Das zentrale Nervensystem beim Baby entwickelt sich ab den ersten Schwangerschaftswochen kontinuierlich weiter. Deshalb gibt es nach den ersten paar Wochen auch kein Stadium, in dem Alkohol in der Schwangerschaft keine Auswirkungen hätte.
Was passiert wenn man in den ersten Schwangerschaftswochen Alkohol trinkt?
Allerdings musst Du Dir keine Sorgen machen, wenn Du in den ersten Wochen aus versehen Alkohol in der Schwangerschaft getrunken hast. Denn in diesem Stadium hat Dein Baby noch kein zentrales Nervensystem und keinen eigenen Blutkreislauf, sondern ist noch eine sogenannte Blastozyste, also eine Ansammlung aus Zellen.
Man geht davon aus, dass in der Schwangerschaft Alkohol in den ersten 4 Schwangerschaftswochen, also innerhalb der ersten zwei Wochen nach der Befruchtung der Eizelle, keinen bleibenden Schaden anrichtet. Geschädigte Zellen werden entweder 1:1 durch intakte ersetzt, oder der Embryo stirbt ab, d.h. es findet ein Frühabort statt.
Das bedeutet also, dass Alkohol in der frühen Schwangerschaft, also im 1. Monat, nicht zu einem Kind mit FAS und den damit einhergehenden körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen führt, sondern sich stattdessen das Risiko eines frühen Abgangs erhöht. Besser ist es darum, von Anfang an, am besten schon bei bestehendem Kinderwunsch, auf Alkohol und andere Drogen zu verzichten.
Nach der 4. SSW beginnt beim Embryo die Phase der Organbildung. In dieser Zeit ist Alkohol besonders schädlich, denn ein Organ, das einmal falsch angelegt ist, kann sich nicht mehr richtig weiter entwickeln. Wenn der Fötus durch eine Organfehlbildung nicht lebensfähig wäre, stößt der Körper ihn häufig ab. Es kommt zu einem frühen Abort im ersten Trimester.
Bild: ©anatoliy_gleb - bigstockphoto.com
Quellen:
-
Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Kein Alkohol in der Schwangerschaft. DGEinfo (09/2014) 139–142
- https://bmjopen.bmj.com/content/7/7/e015410
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