Hast Du Dich schon einmal gefragt, warum wir als Eltern oftmals so viel Wert auf natürliche Materialien, also Holz, Stoff oder anderen Baustoffen direkt aus der Natur, legen? Das ist, weil wir wissen oder intuitiv erahnen, dass die Verbindung zur Natur und Naturmaterialien unsere Kinder fördern. Wie genau das zusammen hängt, erfährst Du jetzt.
Themen des Beitrags
Die Lebenswelt von Kindern – damals und heute
Bis in die 80er-Jahre war für Kinder normal war, die Freizeit mit anderen Kindern draußen in der Natur zu verbringen und zu spielen. Für gewöhnlich kamen die Kinder mittags nach Hause, es wurde Mittag gegessen, Hausaufgaben gemacht und dann ging es hinaus. Im festen Wissen, dass dort immer andere Kinder zu finden waren, mit denen man etwas unternehmen konnte. Bäche stauen, mit Steinen bauen, Insekten beobachten, Ameisen in ihren Bauten ärgern (und dafür mit schmerzhaften Ameisenbissen „belohnt“ werden), sich in kurzen Hosen durch Brennnesseln zu schlängeln gehörte zum kindlichen Alltag. Kinder haben damals sehr viel ganz natürlich gelernt und das, ohne eine Absicht zu verfolgen.
Heutzutage sieht die Lebenswelt von Kindern deutlich anders aus. In der Regel kommen die Kinder nachmittags nach Hause, entweder vom Ganztagsunterricht oder aus der Ganztagsbetreuung. Spontane Verabredungen oder sich einfach mit den anderen Kindern aus der Straße draußen treffen, das war einmal. Verabredungen werden neben allen anderen Freizeitaktivitäten wie Sport oder Musik von den Eltern getroffen. Die Kinder werden zu anderen Kindern gebracht und von dort wieder abgeholt. Selten wird draußen gespielt, vor allem in den Städten. Naturbegegnung findet im Rahmen von Spaziergängen oder Spielplatzbesuchen statt. Es dürfte für die meisten Kinder heutzutage wenig Gelegenheit geben, auf dem Rücken zu liegen und Wolken zu betrachten oder stundenlang den Ameisenhaufen zu beobachten.
Negative Auswirkungen der Verhäuslichung
Der seit Langem anhaltende Trend zur Verhäuslichung der Kindheit hat viele negative Auswirkungen auf Kinder. Es fehlt Kindern an natürlichen Bewegungsanreizen und an Umweltreizen, die unter anderem das Immunsystem stärken. Die mangelnden Erfahrungen in der Natur mit ihren vielfältigen Herausforderungen werden auch in Verbindung gebracht mit einer zunehmenden Fettleibigkeit unter Kindern, mit wachsenden Allergien oder auch mit motorischen Schwächen.
Diese fehlenden Erfahrungen in der Natur haben auch psychische Folgen. Kinderärzte wie Herbert Renz-Polster werfen beispielsweise die Frage auf, „ob nicht seelische Belastungen auch durch zerbrochene oder belastete Beziehungen zur natürlichen Umwelt entstehen“? (Renz-Polster, Hüther 2013)
Eine Indoor-Kindheit beraubt Kinder eigener Erfahrungen
Kinder haben wenig Gelegenheit, sich selbst im Wechselspiel mit der natürlichen Umwelt zu erfahren. Wer einmal Ameisen in Unordnung gebracht und die Erfahrung gemacht hat, dass diese kleinen Tierchen ausgesprochen wehrhaft sein können, der nähert sich einem Ameisenhaufen beim nächsten Mal vorsichtiger. So lernen Kinder sehr viel über Ursache und Wirkung, ohne dass es ihnen jemand erklärt. Sie erfahren es sprichwörtlich am eigenen Leib.
Kinder, die immer nur über Straßen und Gehwege gehen, haben oft Schwierigkeiten, sich im Wald sicher zu bewegen. Sie stolpern über Wurzeln, weil sie es nicht gewohnt sind, dass der Boden uneben ist. Oder sie stehen vor einem Bach und haben keine Idee, wie sie diesen überwinden sollen.
Spielzeug von heute
So wie die Innenräume ist auch Spielzeug heute zumeist zweckgebunden. Oft gibt es nicht viel Raum für fantasievolles Spielen. Es hat keinen ansprechenden Eigengeruch, die Oberflächen regen die Sinne nur wenig an. Die vorgegebene Form und Funktion fordert nur selten dazu auf, kreativ damit umzugehen. Weder die kindliche Fantasie noch die Kreativität werden angeregt.
Naturmaterialien hingegen öffnen Räume zum Entdecken und Erforschen und zum Bauen mit diesen Materialien. Dazu musst Du nicht einmal unbedingt die Wohnung verlassen, denn das fängt schon mit natürlichen Materialien wie Massivholz im Haus an. Eine Massivholztür hat einen ganz eigenen Geruch und eine ansprechende Haptik. Man spürt das natürliche Material unter den Händen. Ebenso verhält es sich mit einem echten Holzboden, der mit natürlichen Mitteln gepflegt (und nicht lackiert!) wird. Die Firma Holzland hat dazu einen empfehlenswerten Ratgeber zu Massivholz veröffentlicht, der dazu anregt, sich mit dem Naturmaterial im Wohnraum zu beschäftigen. Hier findet man auch Anregungen und wichtige Informationen zum Umgang mit dem wertvollen Rohstoff Massivholz, wenn man selbst mit den Kindern etwas bauen möchte. Wie aufregend und befriedigend es sein kann, selbst etwas zu bauen, hat sicher schon jeder am eigenen Leib erfahren – ob nun im Großen oder im ganz Kleinen. Warum also nicht selbst einen Sandkasten oder ein Baumhaus aus Massivholz bauen? Das macht Eltern und Kindern Spaß, stärkt das Selbstbewusstsein und die Bindung.
Positive Auswirkungen des Spiels mit Naturmaterialien
Naturmaterialien haben einen nachgewiesen positiven Effekt auf Menschen. Nicht umsonst ist das Thema Waldbaden als Rückverbindung an die natürliche Umwelt seit einigen Jahren so beliebt.
Was für Erwachsene gilt, gilt für Kinder ganz besonders. Ein großer Vorteil ist die Tatsache, dass viele Naturmaterialien kostenfrei zur Verfügung stehen. Ein Spaziergang durch Wald und Feld und schon hat man Material in Hülle und Fülle, auch für Zuhause. Wenn Du keinen Wald vor der Tür hast, weil ihr in der Stadt wohnt, gibt es dort hoffentlich einen größeren Park in der Nähe, in dem sich ebenfalls ein wenig Wildland befindet. Auch Gärtnern mit Kindern – egal wie klein das Beet des Schrebergartens – ermöglicht Kontakt mit Naturmaterialien.
Körperliche Auswirkungen
- Kinder erleben im Spiel mit Naturmaterialien vielfältige Bewegungsanreize. Das gilt insbesondere für das Spielen im Wald. Umgestürzte Bäume laden zum Balancieren ein, Bäche wollen überquert werden, die Wurzeln im Boden fordern zur Achtsamkeit auf. Ganz spielerisch werden Muskeln aufgebaut und Gleichgewichts- und Tastsinn gefördert.
- Es ist nachgewiesen, dass bestimmte Hirnareale zusammenhängen. Die Forschung hat herausgefunden, dass Kinder, die nicht rückwärts balancieren können, Schwierigkeiten mit dem Subtrahieren haben. Die Bewegungsanreize von Naturmaterialien zu nutzen ist eine wunderbar leichte und spielerische Förderung des Kindes.
- Naturmaterial lädt ein zum Begreifen des Materials. Im wahrsten Sinn des Wortes. Eine Buche hat eine ganz andere Rinde als eine Eiche. Ob ich eine Buchecker in der Hand habe oder eine glatte Kastanie, beides schult den Tastsinn. Und ist Dir schon einmal aufgefallen, wie beruhigend es selbst als Erwachsener noch ist, eine glatte, frische Kastanie in der Hand zu halten?
- Es kitzelt, wenn man einen Regenwurm oder eine Schnecke über die Hand kriechen lässt. Und ist es nicht erstaunlich, dass man so ein kleines Tier wie eine Ameise spürt, wenn sie über den Arm krabbelt? Nun sind Tiere keine Materialien, das ist vollkommen klar, aber sie sind auch Teil des Naturerlebens. Der Umgang mit Tieren sollte von den Eltern achtsam begleitet werden. Am besten lässt Du Dich von Deinen Kindern anleiten. Die ekeln sich in der Regel nämlich nicht und nehmen auch Spinnen ganz unvoreingenommen auf die Hand.
- Neugier und Abenteuerlust sind Triebkräfte des Lebens. Naturmaterialien fordern beide heraus. Einen Bach zu stauen, mit Holz, Steinen und Lehm, um ihn trockenen Fußes überqueren zu können, ist ein großes Abenteuer und es verlangt eine gehörige Portion Neugier, herauszufinden, wie das am besten funktioniert. Man lernt sehr viel dabei, selbst wenn es schiefgeht und man nasse Füße bekommt.
- Grob- und feinmotorische Kompetenzen werden geschult und ausgebaut. Das Springen von Baumstamm zu Baumstamm verlangt andere Muskeln als das Halten einer kleinen Buchecker.
- Es gibt eine weitere Ebene, die uns nicht so bewusst ist. Die natürlichen Duftstoffe der Pflanzen, insbesondere von Bäumen, haben gesundheitsfördernde Wirkungen. Sie wirken entzündungshemmend, antibakteriell, reduzieren Stress, wirken beruhigend und können sogar Ängste minimieren. Das gilt für die Naturmaterialien im Wald ebenso wie für das Massivholz unseres Bettes oder der Dielenbretter.
Die Wirkung auf die Psyche
- Wie oben schon beschrieben, wirken die Duftstoffe von Pflanzen auch positiv auf die Psyche. Das Grün des Waldes hat nachgewiesen eine beruhigende Wirkung auf Menschen. Eltern tun ihren Kindern und sich selbst also einen großen Gefallen, wenn sie viel Zeit mit ihren Kindern draußen verbringen und mit Naturmaterialien spielen.
- Kinder erleben ihre eigene Selbstwirksamkeit im Spiel mit Naturmaterialien. Sie lernen, ihre eigenen Fähigkeiten einzuschätzen, ebenso wie Grenzen und Gefahren. So entwickelt sich Mut und Selbstvertrauen.
Spiel, das Wissen schafft
Einer der größten Wissenschaftler der Welt, Albert Einstein, soll einst gesagt haben:
„Das Spiel ist die höchste Form der Forschung“.
Naturmaterialien fordern heraus zu Experimenten. Sie schaffen Wissen über die Natur, sind somit die erste Form von Naturwissenschaft.
Kinder tun in der Natur und mit Naturmaterialien das, was Wissenschaftler bei ihren Forschungen machen: sie beobachten, erforschen, bilden Kategorien und vergleichen. Was geschieht, wenn ich unterschiedlich schwere Steine ins Wasser plumpen lasse? Wie baue ich eine schiefe Ebene, um Eicheln hinunterlaufen zu lassen? Wie fühlt sich der Luftwiderstand an, wenn ich mit einer großen Feder durch die Luft fahre? Was ist der Unterschied zwischen trockenem Laub und feuchtem Moos?
Anreize für kindliche Wissenschaft gibt es in Hülle und Fülle und Kinder werden nicht müde, sich immer neuen Fragen zu widmen. Diese entwickeln sich ganz natürlich aus dem Spiel heraus. Das entspricht dem kindlichen Forschergeist und wir tun sehr gut daran, ihnen immer wieder Gelegenheiten zu geben, ihn auszuleben.
Kreativität und Fantasie
Naturmaterialien fördern Fantasie und Kreativität. Ein Stock wird zum Leidwesen von uns Eltern zur Waffe, die Baumscheiben im Kinderzimmer werden Trittsteine über einen reißenden Fluss.
Das Basteln mit Naturmaterialien lädt ein zu grenzenloser Kreativität. Man kann Steine bemalen oder Kastanienmännchen basteln oder aus Holzstücken Straßenbegrenzungen quer durch das Kinderzimmer bauen. Das Material Holz fordert dazu auf, mit ihm zu bauen. Der Fantasie und Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
Förderung der Kommunikation
Zu guter Letzt fördert das Spiel mit Naturmaterialien die Kommunikation. Der gemeinsame Bau eines Staudamms funktioniert nur, wenn man sich austauscht und miteinander spricht, welche Möglichkeiten es gibt. Ideen werden gemeinsam entwickelt, ausprobiert und verworfen. Dabei kann es auch mal Auseinandersetzungen geben, auch die sind wichtig im Leben miteinander. Es gilt, ein gemeinsames Ziel zu erreichen und dazu müssen sich die Kinder austauschen.
Darüber hinaus laden die unterschiedlichen Materialien ein, sie zu beschreiben. Die wunderbare Glätte und ihre schimmernde rotbraune Oberfläche haben einen hohen Aufforderungscharakter. Wer kann sich ihrer Haptik und ihrem Glanz entziehen? Kinder möchten ihre Begeisterung mit anderen teilen und erweitern so ihren Wortschatz und ihre kommunikativen Fähigkeiten.
Fazit
Naturmaterialien sind anregend und haben viele positive Auswirkungen auf Kinder und ihre Entwicklung. Am schönsten ist natürlich das Spiel draußen, direkt in der Natur. Aber auch im Haus kann man mit Naturmaterialien sehr viele Anreize für das kindliche Spiel schaffen. Kisten mit unterschiedlichen Materialien wie Baumscheiben oder Eicheln und Kastanien, Steine und Federn, Laub und kleine Hölzer, all das lädt ein zum Spielen und Ausprobieren. Mit Holzresten kann man schöne Dinge bauen. Wichtig ist, dass man die Kinder ausprobieren lässt und ihre Kreativität und Fantasie nicht durch Perfektionismus begrenzt. Es ist spannend, sich auf die kindliche Welt einzulassen und durch ihre Augen das Wunder der Natur neu zu entdecken. Eine wunderbare Freizeitgestaltung für die ganze Familie, in denen Eltern und Kinder miteinander und voneinander lernen können.
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