Ob Ausmalbilder pädagogisch wertvoll sind, ist nicht ganz einfach zu beantworten. An Regentagen oder wenn wir Eltern etwas Ruhe brauchen, kommen sie oft wie gerufen. Es gibt tolle Ausmalbilder zum selber drucken, das Kind kann sich eins aussuchen und schon sind alle glücklich. Aber ist das wirklich gut für Kinder? Oder machen wir ihnen damit die Kreativität kaputt? Ich habe mir die Argumente beider Seiten angesehen und ein Fazit gezogen. Welches fühlt sich für Dich stimmig an?
Themen des Beitrags
Warum ausmalen? Die Vorteile
Im Vergleich zu früher gibt es heute nicht nur Malbücher zu kaufen, sondern ihr könnt auch fast jedes beliebige Ausmalbild als Druckvorlage online finden. Schaut euch gemeinsam ein paar an und lass Dein Kind selbst entscheiden. Dabei solltest Du die Auswahl nicht unendlich groß gestalten. Für einen Malanfänger reicht es, zwischen 3-4 Bildern zu wählen. Einmal auf den Drucken-Button, fertig. Dein Kind ist damit sicherlich eine Weile beschäftigt und Du kannst die Spülmaschine ausräumen oder ein wichtiges Telefonat führen. Wenn Du Dich fragst, ob Du Dein Kind damit auch sinnvoll beschäftigt hast, also ob Ausmalbilder pädagogisch wertvoll sind: Es gibt gut Argumente dafür.
Ausmalbilder fördern die Feinmotorik
Konkret übt das Ausmalen die Hand-Augen-Koordination. Die Verbesserung dieser Fertigkeiten ist sichtbar: Anfangs malen die Kleinen noch sehr grob irgendwie über das Ausmalbild. Mit der Zeit wird es immer feiner. Diese Koordination brauchen sie auch beim richtigen, kreativen Malen – und später beim Schreiben!
Ausmalen trainiert Stifte halten
Auch die entsprechende Handmuskulatur trainiert Dein Kind ganz nebenbei und es übt, den Stift richtig zu halten. Das ist wichtig, denn sonst verkrampft die Hand und das Ausmalen macht keinen Spaß. Genauso ist es später beim Schreiben üben in der Schule. Die richtige Haltung des Stiftes ist sehr wichtig.
Für kleiner Kinder sind dabei dicke Holzstifte, eventuell mit rutschfester Außenseite, sehr hilfreich. Später können die Stifte dünner werden, dann sind fertige Griffmulden hilfreich, die die richtige Stifthaltung vorgeben.
Ausmalen entspannt
Wusstest Du, dass es sogar Ausmalbücher für Erwachsene gibt? Ja, Ausmalen entspannt, aber nicht nur Erwachsene! Beim Ausmalen oder auch beim freien Malen wird unbewusste Anspannung abgebaut, das ganze System kann sich entspannen. Die Konzentration ist auf ein einziges DIN-A4-Blatt gerichtet, kann sich eventuell von Überstimulation und stark anregenden Impulsen erholen.
Ausmalen regt die Kreativität an
Natürlich ist freies Zeichnen mit mehr Kreativität verbunden. Aber nicht alle Kinder haben von Anfang an Spaß an so viel kreativer Anstrengung. Auch beim Ausmalen muss Dein Kind noch etwas Kreatives “leisten”: Es muss die Farben auswählen. Dabei lernt es, sich das Ausmalbild in der Phantasie vorzustellen und die (für das Kind) richtigen Farben auszuwählen.
Lernprozesse werden angeregt
Lernen die Farben und deren Nuancen kennen, denn die wenigsten Kinder werden mit den Ausmalbildern komplett alleine gelassen. Eltern sitzen mit dabei (anfangs) oder erledigen etwas am oder um den Tisch. So sind sie immer bereit für Fragen wie “Was ist das für eine Farbe?” “Welche Farbe hat ein Gesicht?
Beim Ausmalen von Mandalas lernen Kinder, regelmäßige Muster zu erkennen und farblich umzusetzen. Sie müssen sich entscheiden, ob sie gleichartige Flächen in derselben oder in einer anderen Farbe ausmalen. Je älter sie werden, desto wichtiger wird ihnen ein regelmäßig ausgemaltes Mandala werden.
Konzentration beim Malen
Dein Kind übt dabei auch konzentriertes Arbeiten. Nur, wenn es dabei bleibt, winkt ein Erfolgserlebnis, wenn das Bild fertig ist.
Was fördern Ausmalbilder?
Kurz zusammengefasst fördern Ausmalbilder also
- Hand-Augen-Koordination (Feinmotorik)
- Stifthaltung
- Handmuskulatur
- Kreativität
- Farbenlehre
- regelmäßige Muster
- Konzentration
- Entspannung
Sind Ausmalbilder kreativ? Kritik und Nachteile
Aber nicht alle Experten sind einverstanden mit dem Ausmalen vorgezeichneter Schablonen. Viele der Ausmalbilder für Kinder sind verniedlicht oder völlig realitätsfremd (lebendiger Schneemann, Flugzeuge mit Augen oder Kinder mit Superkräften), bilden aber eine ganz bestimmte, vorgefertigte Fantasiewelt ab. Das hindert Kinder daran, ihre eigene Sicht der Welt zu entwickeln und abzubilden. Es hindert sie, wirklich kreativ zu werden.
Stattdessen, so die Meinung einiger, werden sie dazu erzogen, nur in vorgegebenen “Schablonen” zu denken und Vorstellungen, die ihnen vorgegeben werden, zu akzeptieren. Mit jedem Ausmalbild würde ein Stück Kreativität zerstört. Es handelt sich um reine Schablonenarbeit, bei der die Kinder mechanisches, stupides Schaffen nach der „Ästhetik“ der Erwachsenen lernen. Genau richtig für alle, die lernen sollen, sich ohne viel Aufsehen in die Gesellschaft einzufügen. Dabei wünschen sich aber die meisten Eltern für ihre Kinder, dass diese später kreativ und flexibel denken können.
Fazit: Eltern müssen individuell entscheiden
Es ist also völlig legitim, wenn Du Deinen Kindern erst einmal keine Ausmalbücher kaufst oder Ausmalbilder druckst. Wenn Du ihnen trotzdem das Ausmalen mit all den oben genannten Vorzügen ermöglichen möchtest, kannst Du auch selbst einfach einige Formen (Rechtecke, Kreise, Sterne) vorzeichnen, die sie dann ausmalen können. Auch Mandalas können eine schöne Alternative zu fragwürdigen Abbildungen sein.
Allerdings wird Dein Kind früher oder später (vielleicht im Kindergarten, spätestens in der Schule) mit den unrealistischen Figuren und Vorlagen – und auch mit dem Konzept von Ausmalbüchern – in Berührung kommen. Denn die sprechenden Hunde mit unmöglichen Proportionen und Kindchenschema, die verschiedene Abenteuer erleben, gibt es ja nicht nur auf Ausmalbildern und im Fernsehen. Es gibt sie auch auf T-shirts, Rucksäcken und vor allem in den Unterhaltungen der anderen Kinder. Wenn Dein Kind also in diesem Land aufwachsen soll, wirst Du es davon nicht ewig fernhalten können.
Du als Elternteil wirst am besten wissen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, Deinem Kind auch Ausmalbilder zur Verfügung zu stellen – und welche Du für tragbar hältst. Unser Sohn hat sich zum Beispiel im gesamten Kindergartenalter nicht groß dafür interessiert – und malt jetzt im Grundschulalter dafür mit umso mehr Freude und Eifer aus. Vorher hat er gelernt, kreativ und nach eigenen Vorstellungen Bilder zu malen, die bestimmt nicht der Erwachsenen-Ästhetik entsprechen, aber sicherlich seine Vorstellungen perfekt widerspiegeln.
Und fast alle der oben genannten Vorteile von Ausmalbildern treffen auch auf das kreative Malen zu. Du enthältst Deinem Kind also keine Entwicklungsmöglichkeiten vor, wenn Du ihm statt einem Ausmalbild ein leeres Blatt Papier und Stifte zur Hand gibst. Oder, wenn sich Dein Kind ganz einfach nicht fürs Ausmalen interessiert.
Was tun mit den Kinderbildern?
Ganz ehrlich, die meisten landen bei uns früher oder später im Altpapier. In Anbetracht der Menge an Kunstwerken ist alles andere nicht verhältnismäßig. Und für den heute 6-jährigen Künstler ist das auch völlig in Ordnung. Denn er fragt nie wieder nach einer Zeichnung oder einem Ausmalbild, sobald er das nächste angefangen hat. Wichtig ist nur, dass
- er das Bild nicht im Altpapier findet, denn dann ist er schon traurig
- ich die Zeichnung oder Ausmalbild in dem Moment, in dem es bringt, wertschätze.
Darum landen viele Bilder vorübergehend mit einem Magnet befestigt am Kühlschrank. Wenn es mir da zu voll wird, sortiere ich aus. Wirklich gute, auch für mich wertvolle Erinnerungen, hebe ich auf. Wenige davon landen in einem Erinnerungsbuch, andere auf einem Stapel. Dieser Stapel ist allerdings eher für mich. Ich glaube nicht, dass er sich später einmal für seine Kinderzeichnungen interessieren wird. Ich zumindest habe meine nie vermisst.
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