Ich möchte Dir in diesem Ratgeber helfen, das Phänomen der Hochsensibilität besser zu verstehen. Zusätzlich möchte ich Dich mit praktischen Tipps und Empfehlungen unterstützen, damit Du hochsensible Kinder verstehst und mit ihnen umgehen kannst, sei es Dein eigenes Kind oder ein Kind in Deinem Umfeld.
Themen des Beitrags
Definition von Hochsensibilität bei Kindern
Als hochsensibel bezeichnen wir ein besonderes Persönlichkeitsmerkmal, das sich in einer intensiven Wahrnehmung und Reaktion auf Reize aus der Umgebung zeigt. Hochsensible Menschen, einschließlich Kinder, sind empfindsam für Sinneseindrücke, Emotionen und soziale Interaktionen und verarbeiten Informationen tiefgründiger als andere.
Es ist wichtig, dass wir Hochsensibilität verstehen, da sie sowohl Stärken als auch Herausforderungen mit sich bringt. Als Eltern oder Betreuer eines hochsensitiven Kindes ist es wichtig, dass wir wissen, wie wir es gut unterstützen können.
Mein Ziel ist es, Dir ein besseres Verständnis für das Phänomen der Hochsensibilität zu vermitteln und Dich mit praktischen Tipps und Empfehlungen zu versorgen, um damit das Leben Deines hochsensiblen Kindes und Deines, sei es als Eltern oder als Betreuer, zu erleichtern.
Das Konzept der Hochsensibilität ist noch immer weitgehend unbekannt
Leider wissen viele Pädagogen noch nicht viel mit dem Begriff und hochsensiblen Persönlichkeiten anzufangen. Dein Arzt bzw. Kinderarzt hat möglicherweise auch noch nie davon gehört. Das Thema findet zwar allmählich das Interesse der Öffentlichkeit, aber es gibt noch viel aufzuklären. Oftmals fehlt völlig das Verständnis für die Besonderheit Deines Kindes und Du wirst abgespeist mit Tipps, die für Dein Kind vollkommen unpassend sind.
Was Du über hochsensible Kinder lernen wirst
Ich werde Dir in den einzelnen Folgen erklären, was Hochsensibilität ist und wie sie sich im Alltag mit Deinem Kind zeigt, wie sie abzugrenzen ist zu den Krankheitsbildern von Asperger-Autismus und ADHS.
Du wirst erfahren, dass es sowohl introvertierte als auch extravertierte hochsensible Personen (HSP) gibt und welchen Schatz HSP-Kinder in sich tragen. Du erfährst, warum für Dein Kind Rituale wichtig sind und außerdem gibt es viele Tipps für Dich und Dein Kind, die Euren Alltag leichter machen und etwas Klarheit über das Leben mit hochsensiblen Kindern schafft.
Ich werde auch immer mal wieder exemplarisch ein wenig aus meinem eigenen Erleben berichten. Als selbst Betroffene und Mutter eines hochsensiblen Sohnes habe ich mich sehr viel mit dem Thema beschäftigt. Ich hätte mir das Wissen, das ich heute habe, im Umgang mit meinem Sohn gewünscht. Da ist beileibe nicht alles optimal gelaufen und als Eltern haben wir etliche Fehler gemacht. Wir sind auch in die Falle des “Stell Dich nicht so an!” getappt, und wussten mit seiner Überempfindlichkeit in einigen Bereichen nicht umzugehen. Viele Konflikte wären uns erspart geblieben, wenn wir damals mehr darüber gewusst hätten! Wir wussten es einfach nicht besser.
Damit Du als Mutter oder Vater es viel besser machen kannst und einen gelassenen Umgang mit Deinem Kind findest, gibt es diesen Blog. Er soll Eltern unterstützen herauszufinden, ob ihr Kind hochsensibel ist und ihnen helfen, auf ihr Gefühl zu hören und die Besonderheit ihrer Kinder als etwas Wunderbares wahrnehmen. Hochsensibilität ist eine Begabung und keine Störung!
“Ich habe den Verdacht, mein Kind ist hochsensibel.” – Was tun?
Um es vorab zu sagen: Hochsensibilität ist keine Krankheit und auch keine Störung!
Hochsensibel zu sein ist schlichtweg eine Eigenschaft, so wie blonde Haare oder kleine Füße. Hochsensible Kinder haben keine Symptome, sondern Merkmale. Es gibt keine Diagnose im ICD Code (Internationale Klassifikation von Krankheiten) und das ist gut so! Hochsensibilität hat keinen Krankheitswert, es ist eine Besonderheit in der Wahrnehmung.
Wie fühlen sich hochsensible Kinder?
Wir sind tagtäglich einer Flut von Reizen ausgesetzt und unser Gehirn schafft es in der Regel, diese Reize zu filtern. Die Verarbeitung der Reize ist bei Hochsensiblen anders, sie können die auf sie einstürmenden Reize weniger gut filtern und das führt schnell zu einer Überforderung.
Hört sich anstrengend an und ist es auch! Hochsensible Kinder geraten schnell in Stress durch die vielen Reize, die auf sie einströmen. Das kann zu Verhalten wie Rückzug, Träumereien oder auch Wutanfällen führen.
Hochsensibilität zeigt sich aber auch durch eine besondere Tiefe der Wahrnehmung. Hochsensible Kinder wirken oft sehr reif und stellen häufig tiefgreifende Fragen. Sie sind in der Lage, Zusammenhänge zu erkennen und denken schon im jungen Alter vernetzt. All dies sind Dinge, die man auch schnell mit einer Hochbegabung verbindet. Diese Fähigkeit führt bei einem hochsensiblen Kind aber auch dazu, dass es oft lange braucht, um eine Entscheidung zu treffen.
Herausforderungen für hochsensible Kinder
Das Leben mit Hochsensibilität kann immer wieder herausfordernd und mit Schwierigkeiten verbunden sein, wenn man keine Strategien gelernt hat, gut damit umzugehen. Der Alltag wird schnell anstrengend, weil es schnell zur Überreizung kommt. Das gilt besonders für hochsensible Kinder, die sich oft aufgrund ihrer hohen Sensibilität als anders erleben. Das kann leider bei Kindern zu einem geringeren Selbstwert führen, da die Umwelt immer wieder mit Unverständnis reagiert und wenig Rücksicht darauf nimmt, wenn ein hochsensibles Kind auf seine Umgebung mit Überreizung reagiert und eigentlich Hilfe braucht.
Hochsensible Kinder sind nicht so robust wie andere Kinder, sie brauchen viel Zeit und Ruhe, um die Sinneseindrücke zu verarbeiten. Sie reagieren zum Teil mit Rückzug oder auch mit Wutanfällen auf die Reizüberflutung.
Die Balance zwischen Umweltanforderungen und Ruhebedürfnis ist oft nicht so einfach, und Kinder brauchen dazu ihre Eltern, die ihnen helfen sich zu regulieren. Als Mutter oder Vater wirst Du wahrscheinlich auch in Situationen und Konflikte kommen, in denen Du die Hypersensibilität und das Verhalten Deines Kindes erklären und gegen die Mitmenschen verteidigen musst.
Anzeichen und Signale: Wie zeigt sich Hochsensibilität bei Kindern?
Hochsensibilität zeigt sich in vielen Facetten.
- Manche Menschen haben ein besonders gutes Gehör und entsprechend ist Lärm, wie er z.B. in einer Kita-Gruppe vorkommt, für sie ein großer Stressfaktor. Es tut ihnen einfach weh in den Ohren.
- Andere sind sehr lichtempfindlich. Helles Licht, beispielsweise am Essenstisch oder an einem sonnigen Tag draußen, ist für sie nur schwer auszuhalten. Ich selbst bin extrem lichtempfindlich und trage sehr oft Sonnenbrille. Zu viel Licht macht mich wortwörtlich krank, so verrückt sich das anhört.
- Es gibt Hochsensible, die eine ganz besonders feine Nase haben und empfindlich auf Gerüche reagieren . Sie riechen Nuancen, die anderen verborgen bleiben. Wieder andere sind taktil sehr empfindlich. Sie können bestimmte Stoffe nicht auf der Haut ertragen.
- Viele Hochsensible reagieren stark auf Schmerz. Was andere mit einem Schulterzucken abtun, löst bei ihnen starken Schmerz aus. Als Außenstehender, nicht hochsensibler Mensch hat man das Gefühl, das Kind macht aus einer Mücke einen Elefanten.
- Manche sind besonders feinfühlig und reagieren stark auf Emotionen im Umfeld. Sie sind Detektoren für Stimmungen in ihrem Umfeld.
- Hochsensibilität kann sich auch in Überempfindlichkeiten gegen bestimmte Nahrungsmittel und in Allergien zeigen. Wundere Dich nicht, wenn Dein Kind am Essen riecht um herauszufinden, ob das Essen das Richtige ist.
- In der Regel haben alle Hochsensiblen sehr feine Antennen, mit denen sie ihre Umwelt wahrnehmen.
- Viele haben ein ausgeprägtes ästhetisches Empfinden und reagieren ausgesprochen stark auf Musik oder Kunst. Das zeigt sich schon bei den Kindern.
- Die meisten von ihnen haben ein ausgeprägtes Gefühlsleben und eine reiche Fantasie. Wenn Dein Kind immer wieder abtaucht in die eigene Welt und Dir abenteuerliche Geschichten erzählt, was es alles erlebt hat, dann glaube ihm. Dein Kind hat das erlebt, in sich.
Ich kann mich sehr gut an meine Kindheit erinnern. Mir war nie langweilig, weil ich die tollsten Abenteuer erlebt habe, auf hoher See oder im Dschungel; ich bin auf Elefanten geritten und habe mit Piraten gekämpft. Und nichts davon fühlte sich wie ausgedacht an, nein, ich habe es erlebt.
Erkennst Du Dein Kind in einigen Verhaltensweisen wieder? Sind das Merkmale, die Du bei Deinem Kind beobachtet hast? Hier findest Du einen Test, um zu prüfen, ob Dein Kind hochsensibel ist.
Das Konzept von Elaine N. Aron
Die amerikanische Psychotherapeutin und Professorin Elaine Aron hat den Begriff Hochsensibilität in den 1990er Jahren geprägt. Sie hat intensive Forschungen betrieben und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ca. 15–20 % der Menschen über eine besondere Sensibilität gegenüber Reizen verfügen.
Ursache dafür ist ein empfindsameres Nervensystem, das einen Reiz anders verarbeitet als das bei Nicht-Hochsensiblen der Fall ist. Das Nervensystem ist durchlässiger, die Reize werden anders gefiltert.
Sie hat festgestellt, dass es dabei auch eine genetische Komponente geben kann. Hochsensible Kinder haben oft einen hochsensiblen Elternteil. Möglicherweise wird Dir also vieles durchaus bekannt vorkommen, weil Du selbst hochsensibel bist, aber es vielleicht bisher noch nicht wusstest.
Vier Bereiche der Hochsensibilität nach Elaine Aron
Elain Aron hat maßgeblich die Forschung zum Thema Hochsensibilität voran getrieben. Inzwischen gibt es viele Experten dazu, sie jedoch war die Pionierin.
Die folgenden vier Bereiche, in denen sich die Hochsensibilität zeigt, hat sie benannt:
- Verarbeitungstiefe
- Übererregbarkeit
- Emotionale Intensität
- Sensorische Sensibilität
Verarbeitungstiefe
Hochsensible Kinder und Erwachsene nehmen deutlich mehr Informationen und Eindrücke wahr und verarbeiten diese tiefer. Die Beobachtungsgabe ist ausgeprägter, Entscheidungen werden gründlicher durchdacht, Gefühle werden intensiver wahrgenommen. Das alles führt zu längeren Verarbeitungsphasen und Denkprozessen.
Vielleicht kennst Du das von Deinem Kind. Du hast den Eindruck, es sitzt da und träumt vor sich hin. Es kann aber gut das Gegenteil der Fall sein, weil es sich gerade in einem tiefen, inneren Verarbeitungsprozess befindet.
Übererregbarkeit
Die vielen Reize und Impulse, die auf hochsensible Kinder einströmen und nur wenig gefiltert werden können, führen zu einer Überflutung und damit einhergehend zu einer schnelleren Erschöpfung. Diese Erschöpfung kann sich körperlich und psychisch zeigen, z. B. durch Unkonzentriertheit oder auch durch Wutanfälle und Stimmungsschwankungen.
Vielleicht hast Du das bei Deinem Kind schon des Öfteren beobachtet, dass es nach einem schönen Erlebnis, wie zum Beispiel einem Kindergeburtstag, plötzlich wütend wird oder anfängt zu weinen. Du stehst überrascht daneben und kannst keinen Auslöser für diesen Stimmungsumschwung erkennen? Die Ursache könnte sein, dass Dein Kind vollkommen überwältigt ist von den Reizen und nicht weiß, wie es damit umgehen soll. Es ist einfach alles zu viel.
Emotionale Intensität
Viele hochsensible Menschen verfügen über ein hohes Maß an Empathie und Feinfühligkeit. Sie haben häufig ausgeprägte Fähigkeiten wie beispielsweise Stimmungen innerhalb von Gruppen sehr deutlich wahrzunehmen und können sich in der Regel nur schwer davon abgrenzen. Oder sie spüren die Gefühle eines anderen Menschen wie ihre eigenen.
Es kann sein, dass hochsensible Kinder extrem auf Stress und angespannte Stimmungen im Kindergarten oder in der Schule reagieren und dadurch selbst sehr angespannt oder traurig sind, ohne den Grund benennen zu können. Das Gleiche gilt natürlich auch für freudige Gefühle.
Sensorische Sensibilität
Das Nervensystem hochsensibler Kinder reagiert sehr empfindsam auf Sinnesreize. Alle fünf Sinne können betroffen sein:
- Tasten
- Schmecken
- Sehen
- Riechen
- Hören
Dabei ist die Sensitivität in der Regel nicht in allen Bereichen gleich hoch.
Vielleicht hast Du ein Kind, mit dem es oft Auseinandersetzungen wegen Kleidung gibt. Dein Kind weigert sich, bestimmte Stoffe anzuziehen oder kann keine Falten in der Kleidung ertragen?
Das ist ein häufiges Phänomen bei hochsensiblen Menschen. Berührungen werden extrem wahrgenommen und kratzige Stoffe o. ä. sind für den hochsensiblen Menschen schlichtweg nicht zu ertragen. Ebenso kann es sein, dass ein hochsensible Kinder sehr empfindlich auf laute Geräusche reagieren oder bestimmte Nahrungsmittel nicht essen mögen, weil die Konsistenz im Mund als eklig empfunden wird (.B. durch breiige Nahrung).
Haben alle hochsensiblen Kinder die gleichen Eigenschaften?
Die Schwerpunkte sind bei den einzelnen HSP unterschiedlich, Du kannst aber davon ausgehen, dass nicht nur ein Bereich betroffen ist, sondern dass es sich um eine Kombination verschiedener Bereiche handelt. Die Akzente sind in der Regel in einem oder zwei Bereichen stärker ausgeprägt als in anderen.
Mein Sohn beispielsweise hat unter anderem einen sehr ausgeprägten Geruchs-und Geschmackssinn. Als er vor vielen Jahren am Wochenende bei seinem Vater war, hat dieser einen Blumenkohlauflauf erwärmt, den ich mitgegeben hatte. Unser Sohn hat nach der ersten Gabel gesagt, dass der Auflauf schlecht ist, weil er auf der Zunge „brizzelt“. Sein Vater hat das nicht wahrgenommen und ihn aufgefordert, weiterzuessen. Dreimal darfst Du raten, wer recht hatte. Natürlich unser hochsensibles Kind. In der Nacht haben sich Vater und beide Söhne dann den Platz auf dem Klo gegenseitig streitig gemacht!
Mein Tipp an alle Eltern mit hochsensiblen Kindern
Bitte glaube Deinem Kind, wenn es über seine Empfindlichkeit und seine Art der Wahrnehmungen berichtet!
Möglicherweise erzählt Dir Dein Kind, dass es etwas Besonders riecht. Oder dass das Licht ihm weh tut. Oder dass Essen komisch schmeckt.
Auch wenn Du es nicht nachvollziehen kannst, bitte glaube Deinem Kind. Es wirkt sich sehr stark auf das Selbstwertgefühl aus, wenn Deine Wahrnehmungen immer hinterfragt, nicht geglaubt oder sogar ins Lächerliche gezogen werden. Ich bin mir sicher, dass Du das für Dein Kind nicht möchtest, andernfalls würdest Du das hier nicht lesen. Gehe davon aus, dass Dein Kind es so empfindet.