Hast Du das Gefühl, Dein Kind ist irgendwie anders als andere Kinder? Dir fällt auf, dass es bereits auf kleinste Reize reagiert und sich entweder zurückzieht oder sehr schnell explodiert? Du möchtest wissen, wie Du die Andersartigkeit Deinen Kindes einordnen kannst und die Begriffe Hochsensibilität und ADHS sind Dir bei Deiner Recherche schon begegnet? Trotzdem bist Du unsicher, wie sich das eine vom anderen unterscheidet? In diesem Artikel gibt es Antworten auf die Fragen und ich werde Dir aufzeigen, welche Gemeinsamkeiten es gibt, welche Merkmale sie haben und wie sie voneinander unterschieden werden können.
Hochsensibilität und ADHS sind zwei Begriffe, die oft verwechselt oder miteinander in Verbindung gebracht werden. Obwohl beide Phänomene ähnliche Symptome aufweisen können, handelt es sich um zwei unterschiedliche Konzepte, die sich voneinander unterscheiden. Es ist wichtig, die Unterschiede zu verstehen, damit Du Dein Kind angemessen unterstützen kannst. Das Thema Hochsensibilität habe ich schon ausführlich beleuchtet.
Themen des Beitrags
Definition ADHS
ADHS ist die Abkürzung für AufmerksamkeitsDefizitHyperaktivitätsSyndrom. Es gibt eine weitere Form, das AufmerksamkeitsDefizitSyndrom (ADS), bei dem das Symptom der Hyperaktivität fehlt.
Bei ADHS handelt es sich um eine Auffälligkeit im Verhalten von Kindern (oder Erwachsenen), die sich durch drei Charakteristika auszeichnet:
- Übersteigerter Bewegungsdrang (Hyperaktivität)
- Störungen der Konzentrationsfähigkeit, Unaufmerksamkeit
- Impulsivität
Um aus diesen Verhaltensmerkmalen ADHS diagnostizieren zu können, müssen sie deutlich stärker ausgeprägt sein als bei anderen Kindern, und die Symptome müssen mindestens sechs Monate auftreten. Jeder ist mal zappelig und oder hat einen schlechten Tag und kann sich nicht konzentrieren. Bei ADHS ist von einer deutlichen Abweichung von der Norm auszugehen.
Einige allgemeine Unterschiede
Elaine N. Aron hat bei ihren Forschungen herausgefunden, dass bei der Hochsensibilität mehrere Bereiche des Gehirns gleichzeitig aktiviert sind. Bei ADHS liegt eine neurobiologische Störung im Hirnstoffwechsel vor, die besonders den Botenstoff Dopamin betrifft.
Hochsensibilität betrifft ca. 15-20 Prozent der Bevölkerung und ist geschlechtsunspezifisch; ADHS tritt bei ca. 5 Prozent der Bevölkerung auf, wobei Jungen häufiger betroffen sind.
Zusammenhang zwischen Hochsensibilität und ADHS
Es gibt gewisse Überschneidungen zwischen HS und ADHS, das macht die Unterscheidung mitunter schwierig. Beiden Phänomenen ist zu eigen, dass das Nervensystem der Betroffenen eine erhöhte Reizoffenheit hat, also eine größere Empfindlichkeit gegenüber Reizen zeigt und diese nicht gut filtern kann.
Im Folgenden findest Du eine Gegenüberstellung und Du siehst, wo es Überschneidungen gibt und an welcher Stelle sich die Persönlichkeiten unterscheiden. Diese Gegenüberstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, dazu sind beide Phänomene zu komplex. Aber hier findest Du erste gute Anhaltspunkte, die Dir helfen, Dein Kind besser zu verstehen.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede |
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Hochsensibilität |
ADHS |
Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit |
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HS-Kinder können sich in der Regel gut bis sehr gut konzentrieren, besonders, wenn sie sich für eine Sache interessieren.
Sie gehen den Dingen gerne in der Tiefe auf den Grund. |
Kindern mit AD(H)S fällt die Konzentration auch in ruhiger Umgebung schwer, sie sind sehr leicht ablenkbar.
Sie sind begeisterungsfähig und wenn sie für etwas brennen, können sie aber ebenfalls dran bleiben. |
Impulskontrolle |
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Introvertierte HS-Kinder reagieren oft langsam aufgrund der Vielschichtigkeit der zu verarbeitenden Reize.
Extrovertierte HS-Kinder können in ihrem Verhalten den ADHS-Kindern ähneln und ebenfalls impulsiv reagieren. |
ADHS-Kinder haben häufig Schwierigkeiten, ihre Impulse zu kontrollieren, platzen heraus und unterbrechen andere, oder stören Spiele, sind ungeduldig.
Sie sind oft mutig und auch Risikofreudig. Sie zeichnen sich durch eine große Spontaneität aus. |
Einhaltung von Regeln |
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Hochsensible Kinder, besonders die introvertierten, sind in der Regel sehr angepasst und halten sich an geltende Regeln. Sie neigen dazu, andere Menschen zufrieden stellen zu wollen (People pleasing).
Extrovertierte hochsensible Kinder tun sich mitunter schwerer mit der Akzeptanz von Regeln. |
Regeln können schlecht erfasst und eingehalten werden.
Das macht diese Kinder aber auch stark, sie hinterfragen und haben keine Neigung etwas zu tun, weil sie es anderen Menschen recht machen wollen. |
Emotionale Reife |
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HS-Kinder sind in ihrer emotionalen Reife den gleichaltrigen Kindern häufig voraus. | Kinder mit ADHS sind sozial-emotional mitunter unreifer als ihre Altersgenossen.
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Spielverhalten |
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Fantasievolles Spiel sowohl bei HS- als auch bei ADHS-Kinder, beide sind gerne draußen in der Natur und kreativ. |
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Bevorzugen ruhigeres Spiel, sind gerne kreativ und eher vorsichtig im Spielverhalten.
Sind sorgfältig und achten auf Details. |
Sind sprunghafter und können schlecht bei einer Sache bleiben, mögen Körperbetonte Spiele.
Achten weniger auf Details. |
Kreativität |
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Sowohl HS-Kinder als auch Kinder mit ADHS zeichnen sich aus durch Kreativität und Erfindungsreichtum. |
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Selbstbewusstsein |
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Introvertierte HS-Kindern fehlt es mitunter am Selbstbewusstsein, vor allem, wenn sie für ihre Empfindlichkeit kritisiert werden. Sie neigen dazu, sich zurückzuziehen.
Das gilt auch für extrovertierte HS-Kinder, die allerdings häufiger mit Wut reagieren als mit Rückzug. Beide Ausprägungen haben die Tendenz zum Overthinking, d.h., sie machen sich unangemessen viele Gedanken um Situationen. |
ADHS-Kinder sind oft mutig und selbstbewusst und stehen für ihre Sache ein. Sie sind in der Regel ehrlich und sagen, was sie denken. |
Emotionen |
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Sowohl HS- als auch ADHS-Kinder sind emotional und empathisch anderen Menschen gegenüber. |
Du siehst, es gibt einige Überschneidungen, aber auch gravierende Unterschiede. Die Unterscheidung ist nicht immer ganz einfach. Oft hoffen Eltern, dass ihr Kind “nur” hochsensibel ist, was ich sehr gut verstehen kann. ADHS gilt als Störung und diese Diagnose kann weitreichende Folgen für die Betroffenen haben. Da Hochsensibilität als Konzept noch nicht in der breiten Öffentlichkeit angekommen ist, auch bei KinderärztInnen und pädagogischem Personal, wird möglicherweise vorschnell ein ADHS-Verdacht in den Raum geworfen.
Anhand dieser Gegenüberstellung kannst Du Dein Kind besser einschätzen und es bestmöglich unterstützen, damit es sich gut und mit der richtigen Unterstützung entwickeln kann. Bei allen Herausforderungen, die beide Phämoneme mit sich bringen, bedenke bitte: Dein Kind gibt immer sein Bestes! Es verhält sich, so gut es kann. Es zeigt die besonderen Verhaltensweisen nicht, um Dich zu ärgern oder um absichtlich widersetzlich zu sein. Wenn Du Dir das vor Augen führst, nimmst Du eine Menge Druck heraus und das führt zu mehr Entspannung. Entspannt sind wir viel besser in der Lage, Herausforderungen anzugehen und Lösungen zu finden. Ich weiß, es ist manchmal sehr schwer, aber vergiss bitte über den Problemen den Humor nicht. Über manches könnt ihr vielleicht auch einfach mal lachen.
HSP und ADHS – kann ein Kind beides sein?
Ja, ein Kind kann sowohl hochsensibel sein als auch ADHS haben, das macht die Sache nicht einfacher. Wenn beides gemeinsam auftritt, ist eine klare Unterscheidung kaum möglich, und im Grunde auch nicht notwendig. Beide Phänomene zeichnen sich dadurch aus, dass die Betroffenen mehr Struktur und Ruhe benötigen als andere Menschen. Dazu mehr im folgenden Abschnitt.
Tipps, was Du für Dein Kind und Dich tun kannst
Unabhängig davon, ob Dein Kind hochsensibel ist oder ob es AD(H)S hat, es gibt ein paar Eckpfeiler, die für beide wichtig sind, und auch Dir helfen, möglichst gelassen damit umzugehen.
- Achte darauf, dass Du ein Übermaß an Reizen möglichst vermeidest. Menschenansammlungen, Lärm, Licht, Aktivitäten. Alles, was überstimuliert, solltet ihr vermeiden. Wenn sich das nicht umgehen lässt, versuche danach ruhige Aktivitäten einzuplanen.
- Geht viel hinaus in die Natur. Wenn Du Tipps suchst, wie Du Dein Kind mit Naturmaterialien beschäftigen kannst, dann findest du im Magazin ein paar Anregungen.
- Sei Dir stets bewusst, dass Dein Kind unter seinem Anderssein leiden kann. Es braucht Dein Verständnis und Deine Unterstützung, um Selbstvertrauen und Stärke zu entwickeln und seine Besonderheiten zu akzeptieren.
- Ein geregelter Tagesablauf, Struktur und Rituale helfen nicht nur den Kindern, sondern auch Dir.
- Sorge auch gut für Dich! Wenn Du ausreichend Energie hast, wirst Du mit den Herausforderungen des Alltags besser fertig. Nimm Dir Auszeiten und bitte andere um Hilfe. Das kann auch die Unterstützung von Fachleuten sein. Hilfe anzunehmen ist keine Schwäche, sondern eine Stärke, mache Dir das bitte bewusst. Vielleicht findest Du andere Eltern, die vor den gleichen Herausforderungen stehen?
- Sei geduldig und liebevoll mit Deinem Kind und mit Dir. Lernt gemeinsam, eure Grenzen zu spüren und diese auszudrücken. Du bist ein Vorbild für Dein Kind und je unverkrampfter und offener Du mit den Herausforderungen umgehst, desto leichter fällt es auch Deinem Kind.
Meine persönliche Meinung zur ADHS-Diagnose
Ich bin ganz ehrlich, ich stehe der Diagnose ADHS kritisch gegenüber. Aus meiner Erfahrung wird sie mitunter vorschnell gestellt. Aber da das meine ganz persönliche Meinung ist, habe ich mich in diesem Artikel auf die Symptome aus der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, dem ICD 10, berufen. Dass ich mit meiner kritischen Haltung nicht alleine bin, zeigt dieser Artikel aus dem Jahr 2014 aus “Die Welt” auf.
Auf keinen Fall möchte ich die Not von Kindern und Eltern herunterspielen! Mein Wunsch ist, dass sehr genau hingeschaut und alle Faktoren berücksichtigt werden, erst recht, wenn im Raum steht, Medikamente wie Ritalin einzusetzen, denn diese haben auch erhebliche Nebenwirkungen. Eine ADHS-Diagnose sollte von Fachleuten auf diesem Gebiet gestellt werden, die sich wirklich sehr eingehend mit diesem Thema beschäftigt haben. Es gibt speziell ausgebildete Kinder- und JugendpsychiaterInnen oder -therapeutInnen, Beratungs- und Frühförderstellen, die sich auf die Diagnostik spezialisiert haben. Wenn Du Dir Gedanken machst, ob Dein Kind vielleicht ADHS hat, rate ich Dir, eine von diesen Stellen aufzusuchen. Erste Anlaufstelle ist natürlich immer Deine Kinderärztin, die Dich an die entsprechenden Fachleute überweisen sollte.
Für weitergehende Tipps und Erklärungen zu ADHS empfehle ich Dir die Informationsseite für Eltern und Angehörige.
Und egal, ob Dein Kind hochsensibel ist oder ADHS hat: Dein Kind ist ein Geschenk, mit ganz besonderen Eigenschaften, die es zu einem wunderbaren und interessanten Menschen machen! Lasse Dich nicht von der Meinung anderer verunsichern, die den Schatz in Deinem Kind vielleicht nicht sehen können.