Vor kurzem las ich zufällig etwas über autonome Kinder. Ich fand das Thema so spannend, dass ich mir dachte, dass es vielleicht auch Dich interessieren könnte. In diesem Artikel erfährst Du, was man unter dem Begriff „autonome Kinder“ versteht, welche Probleme sich für Eltern daraus ergeben und wie man mit solchen Kindern am besten umgeht.
Themen des Beitrags
Hilfe, mein Kind tut einfach nicht, was ich möchte. Habe ich ein autonomes Kind?
Natürlich kennen wir alle die berühmte Trotzphase unserer Kinder zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr. Es ist anstrengend und nervenaufreibend. Und wir sind froh, wenn diese Phase überstanden ist. Doch was, wenn diese Phase nie enden will? Dein Kind weiß schon sehr früh was es will und was nicht und setzt dies mit all seinen Möglichkeiten durch? Es ist äußerst aktiv und lässt sich mit pädagogischen Mitteln nicht überlisten? Wenn Du Dich und Dein Kind jetzt wiedererkannt hast, hast Du möglicherweise ein autonomes Kind. Herzlichen Glückwunsch!
Was sind autonome Kinder?
Der Begriff „autonome Kinder‘“ stammt von dem bekannten, dänischen Familientherapeuten Jesper Juul. Gemäß seinen Erkenntnissen ist der Drang nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit bei diesen Kindern besonders groß. Etwa 15 Prozent der Kinder definiert Juul als von Geburt an autonom (willensstark).
Normalerweise findet die sogenannte Autonomiephase oder auch Trotzphase in der Zeit zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr statt. Während dieser Zeit und in den folgenden Jahren lernen Kinder, dass sie ihren Willen nicht immer durchsetzen können, sondern auf die Bedürfnisse anderer Menschen Rücksicht nehmen müssen.
Anders verhält es sich bei autonomen Kindern. Hier handelt es sich nicht um eine vorübergehende Trotzphase. Da sie von Geburt an besonders willensstark sind, bringt dies die betroffenen Eltern oftmals in ihre erzieherischen und psychischen Grenzen bis hin zur Überforderung mit dem Baby. Jesper Juul hingegen sieht autonome Kinder als positiv und freut sich über jedes von ihnen.
Woran Du erkennst, dass Du ein autonomes Kind hast
Symptome, an denen Du ein autonomes Kind erkennst:
- Bereits nach der Geburt sah Dein Kind schon fertig aus. Das heißt, sein Gesicht erschien reifer und es hatte kaum Babyspeck.
- Es hat einen starken eigenen Willen.
- Es hat strikte Grenzen, deren Einhaltung es einfordert.
- Es mag keinen Körperkontakt, es sei denn, er geht von ihm selbst aus.
- Es durchschaut Deine pädagogischen Manipulationsversuche, wenn Du nicht authentisch dabei wirkst (Beispiel: „Wenn du dir die Zähne putzt, darfst du hinterher einen Film gucken.“ Klappt garantiert nicht!).
- Nur wenn Du Deinem Kind die Wahlfreiheit lässt, bekommst Du ein „Ja“ zu hören.
- Es benimmt sich wie ein Erwachsener, der ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein hat.
- Hilfe nimmt es von Dir nur an, wenn dies unaufdringlich als Alternative angeboten wird.
Welche Probleme können Eltern willensstarker Kinder haben?
Ob willensstarke Kinder nun ein Fluch oder Segen sind, hängt von der Sichtweise ab. Für Eltern stellen diese Kinder eine enorme Anstrengung dar, sofern sie nicht wissen, wie sie mit ihm umgehen sollen. Jesper Juul hingegen begrüßt die Entwicklung solcher Kinder.
Gerade in unserer heutigen Gesellschaft sind Willensstärke und Unabhängigkeit gefragter denn je. Viele von uns Eltern legen bei der Erziehung daher besonderen Wert darauf, dass ihre Kinder zu willensstarken, selbstbewussten und autonomen Menschen werden. Andererseits sind diese Kinder deutlich anstrengender, weil sie sich nur ungerne an Anweisungen halten und ihren eigenen Kopf haben.
Und genau diese Eigenschaften führen im Alltag oftmals zu Konflikten. Eltern geraten schnell an ihre Grenzen, wenn ihr Kind nicht kompromissbereit ist und alles im Alleingang entscheiden möchte.
Schon als Baby brauchen autonome Kinder weniger Schlaf und sind aktiver als ihre Altersgenossen. Sie wissen dabei schon ganz genau, was sie wann haben möchten.
Schnell kann es zu Problemen kommen, wenn Eltern ihre Kinder zu etwas animieren, was sie nicht möchten. Da helfen keine gewöhnlichen Erziehungsmaßnahmen und schon gar keine Strafen.
Als wenn die vorstehenden Probleme nicht schon genug wären, haben Eltern willensstarker Kinder häufig auch noch mit Kritik von außen zu kämpfen. Dies ist besonders hart, wenn es sich hierbei um unqualifizierte Kritik handelt.
Darum ist es trotzdem toll, kein „normales Kind“ zu haben
Es wäre absolut vermessen, zu behaupten, dass autonome Kinder nicht „normal“ sind. Sie sind nur anders, was nicht gleichbedeutend mit „schlechter“ oder „unnormal“ ist. Und genauso sieht es Jesper Juul.
Sein Augenmerk richtet sich in erster Linie darauf, die Eltern solcher Kinder entsprechend zu coachen, um sie fit im Umgang mir ihren Kindern zu machen. Dazu ist es aber von immenser Wichtigkeit, dass Eltern ihre Kinder erst einmal zu verstehen lernen. Mit dem Verständnis kommt dann die Gelassenheit, die zu einer entspannteren Beziehung zwischen Eltern und Kind führt.
Erst dann können Eltern zu schätzen lernen, wie stolz sie auf ihr autonomes Kind sein können. Denn diese Kinder bringen quasi „von Haus aus“ wichtige Eigenschaften mit, die andere Eltern ihren Kindern mühsam anerziehen müssen.
Und noch etwas: Willensstarke Kinder sind erfolgreicher!
Wissenschaftler haben in einer Studie mit über 700 Kindern untersucht, inwieweit sich Charaktereigenschaften auf den späteren beruflichen Erfolg auswirken. Sie haben dabei herausgefunden, dass unangepasste Kinder, die gerne Regeln ignorieren, im späteren Leben erfolgreicher sind und über ein höheres Einkommen verfügen.
Mit diesen Tipps gelingt die Erziehung autonomer Kinder besser
Oft fällt es uns als Eltern schwer, zu entscheiden, was für unser Kind richtig ist und was nicht. Dies gilt umso mehr bei willensstarken Kindern. Die nachstehenden Ratschläge können Dir helfen, besser mit Deinem autonomen Kind umzugehen.
- Liebe und Zuneigung ist der Schlüssel zu jedem Kind. Gerade bei authentischen Kindern, dürfen diese jedoch niemals aufgedrängt werden. Warte immer ab, bis Dein Kind den Körperkontakt sucht.
- Liebe Dein Kind so wie es ist und versuche nicht, es zu verbiegen. Anderenfalls verschlimmerst Du die Situation nur.
- Bitte keine Aussagen in der „Man-Form“. Viel authentischer kommt es bei Deinem Kind an, wenn Du stets in der „Ich-Form“ sprichst.
- Du solltest es nach Möglichkeit vermeiden, Dich auf Machtkämpfe mit Deinem Kind einzulassen. Ein offenes Gespräch über die Konfliktsituation kann dagegen Wunder wirken.
- Arbeite so oft es geht mit Wahlmöglichkeiten, die Du Deinem Kind anbietest.
- Sprich mit Deinem Kind nicht in der Babysprache, sondern wie mit einem Erwachsenen und gehe dabei immer respektvoll mit ihm um.
- Orientiere Dich an den Bedürfnissen Deines Kindes. Mache ihm dabei aber klar, dass andere Menschen auch andere Bedürfnisse haben, die nicht immer identisch mit den seinen sind.
- Stelle in jeder Situation deutlich klar, wie Dein Standpunkt ist und was Du für Erwartungen an Dein Kind hast.
- Lass Deinem Kind genügend Zeit, damit es über Konflikte und Gespräche nachdenken
- Autonome Kinder sind sehr sensibel. Daher ist es wünschenswert, wenn Du alle Fragen Deines Kindes ehrlich beantwortest. Denn Dein Kind erkennt schnell, wenn Deine Aussagen nicht wahrheitsgemäß sind.
Ich habe Dir hier ein Video über ein Interview mit Jesper Juul verlinkt, welches ist sehr interessant finde. Er beantwortet darin viele Fragen auch zum Thema „Autonome Kinder“, die Eltern bewegen.
Diese Bücher hat Jesper Juul zum Thema autonome Kinder geschrieben:
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- Dein selbstbestimmtes Kind: Unterstützung für Eltern, deren Kinder früh nach Autonomie streben (Dieses Buch ist sein letztes Werk)
- Nein aus Liebe: Klare Eltern – starke Kinder
Ich möchte noch eine Anmerkung zum Buch „Elterncoaching“ machen: Dieses Buch halte ich für besonders hilfreich, da Juul hierin über Fallbeispiele aus seiner Praxis berichtet.
Ein Beispiel aus dem Buch: Der Fall EllaElla ist drei Jahre alt und ein richtiger Trotzkopf. Sie schreit und tobt bei jeder sich bietenden Gelegenheit und bringt ihre Eltern dadurch zu Verzweiflung. Die Eltern verstehen ihr Kind nicht und das macht besonders die Mutter sehr traurig. In seiner Praxis hört sich Juul die Probleme der Eltern an. Schnell äußert er die Vermutung, dass es sich bei Ella um ein autonomes Kind handelt. Er erklärt den Eltern, warum Ella sich so benimmt und zeigt ihnen Wege für ein besseres Miteinander auf. Ella führt dauernd Machtkämpfe, weil sie glaubt, dass ihre Würde von ihren Eltern nicht gewahrt wird. Wenn Ella also merkt, dass sie ernst genommen wird, braucht sie nicht mehr so viel Energie darauf zu verschwenden, den eigenen Willen durchzudrücken.
Die Lösung: Ella will und soll ihre eigenen Entscheidungen treffen. Ella darf in der Folgezeit ihre Zähne selber putzen. Ellas Mutter könnte dazu folgendes sagen: „Du darfst deine Zähne gerne selbst putzen, aber ich kann dir zeigen, wie es geht – wenn du möchtest.“
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Ich bin so dankbar für diesen Artikel! Als Mutter eines besonders willensstarken 3-jährigen Kindes fühlte ich mich oft überfordert und allein. Dieser Artikel hat mir die Augen geöffnet und mir gezeigt, dass mein Sohn Leon zu den 15 Prozent der Kinder gehört, die von Geburt an autonom sind. Es ist so erleichternd zu wissen, dass es nicht nur eine Trotzphase ist. Ich habe gelernt, seine Autonomie zu schätzen und Wege zu finden, um mit ihm zu arbeiten. Danke, dass Sie dieses Wissen geteilt haben und Eltern wie mir helfen, ihre Kinder besser zu verstehen.
Wir haben einen Sohn, der sich eigentlich sehr gut erziehen lässt.
Danach haben wir Zwillinge bekommen. Die beiden halten immer zusammen und lassen sich nicht erziehen.
Bestrafungen sind für die Beiden keinerlei Hindernis, eher im Gegenteil. Sie drängen sich den ganzen Tag auf.
Sie sagen sehr genau, was sie wollen und dass wir ihnen nichts zu sagen haben. Autonome Kinder sind sicherlich
erfolgreicher, aber sehr Nervraubend. Wir kommen da nicht gegen an und die Beiden sind erst 7 Jahre alt.
Wir müssen schauen, dass wir Hilfe bekommen.
Hallo Boris,
danke für den Beitrag. Ihr seid sicher nicht die einzigen mit diesem Problem. Und ohne eure Familie zu kennen kann man natürlich leicht schlaue Ratschläge geben – ob die passen ist halt die Frage 😉
Vielleicht hilft ein kleiner Perspektivwechsel ein wenig: Ich persönlich glaube, wir müssen unsere Kinder nicht erziehen und vor allem nicht gegen sie ankommen. Vielmehr müssen wir sie begleiten, ihnen den Weg weisen und eine stabile Beziehung zu ihnen aufbauen. Bei manchen Kindern kommt man weiter, wenn man sie ernst nimmt und respektiert.
So, fertig geschlaumeiert. Ich wünsche euch viel Kraft und trotzdem schöne Familienmomente,
viele Grüße,
Hanna