Wir haben seit vielen Jahren zu Hause keinen Fernseher mehr – ob mein Baby fernsehen darf oder nicht, stand darum nie zur Debatte. Doch wie ist das eigentlich grundsätzlich?
- Warum schadet fernsehen dem Baby?
- Was passiert bei Babys, die fernsehen?
- Schadet das den Augen?
- Und ab wann darf ein Kind dann überhaupt fernsehen?
- Haben Medien nicht auch einen Mehrwert, weil Kinder etwas lernen, z.B. neue Wörter?
Themen des Beitrags
Darf ein Baby fernsehen?
Die Psychologen, Pädagogen und Experten aus allen Fachbereichen sind sich bei der Antwort einig. Die Antwort lautet nein. Baby und Kleinkinder unter 3 Jahren sollten nicht fernsehen, weil sie schnell überfordert sind, nicht richtig mit den Reizen umgehen können und es im schlimmsten Falle zu Gesundheits- und Verhaltensproblemen kommt. Ein laufender Fernseher oder Film auf dem Laptop haben in der Nähe von Babys und Kleinkindern unter drei Jahren also nichts zu suchen.
Wenn Du jetzt denkst, das ist eine reine Behauptung, eine Meinung moderner Medien-Skeptiker, habe ich ein paar wissenschaftliche Fakten und Studienergebnisse der letzten Jahre zusammengetragen:
Babys vor dem Fernseher: Fakten und Studien
- Dimitri A. Christakis, der am Seattle Children’s Research Institute das Institut für Gesundheit, Verhalten und Entwicklung von Kindern leitet, bestätigt mit seiner langjährigen Forschung, dass dass junge Kinder, die fernsehen, eher Aufmerksamkeitsprobleme und andere Gesundheits- und Verhaltensprobleme entwickeln. Fernsehen in den ersten drei Lebensjahren kann zu Problemen mit der Sprachentwicklung sowie zu Aufmerksamkeit und kognitiver Entwicklung im Schulalter führen.
- Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) empfiehlt, Babys und Kleinkinder bis 3 Jahre nicht fernsehen zu lassen. Danach sollten Kleinkinder bis 6 Jahre nicht mehr als 30 Minuten pro Tag fernsehen.
- KIGGS-Erhebung in Deutschland zeigt: Je länger und je früher Babys und Kleinkinder bis zum Schuleintritt pro Tag fernsehen, desto größer sind die Entwicklungsverzögerungen. Sprachstörungen, grobmotorische Auffälligkeiten.
- Die Amerikanische Akademie für Pädiatrie (AAP) hat 50 Studien, die bis 2011 zum Thema Kinder und Fernsehen durchgeführt wurden, analysiert und die Ergebnisse veröffentlicht. Daraus geht klar hervor, dass Fernsehen im Baby- und Kleinkindalter die Sprachentwicklung behindert, Schlafstörungen verursacht und die Kommunikation mit den Eltern beeinträchtigt. Selbst DVDs und Filme, die extra für Säuglinge oder Kleinkinder entwickelt wurden, bieten keinen Lerneffekt. Den Kindern, die viel Fernsehen, fehlt es an Empathie und der Fähigkeit, sich selbst zu beschäftigen.
Fernsehen mit Baby im Raum?
Was ist aber, wenn der Fernseher in der Familie viele Stunden am Tag “im Hintergrund” läuft und sich trotzdem jemand mit dem Baby beschäftigt?
Auch dann sind sich Experten einig: Der Fernseher hat in der Nähe von Babys nichts zu suchen. Denn schon mit wenigen Monaten nehmen sie Bilder aus dem TV wahr, die sie einfach nicht verstehen oder verarbeiten können. Auch älteren Geschwisterkindern, ja nicht einmal Erwachsenen, tut diese Dauerbeschallung gut.
Häufig läuft der Fernseher auch abends, wenn Papa von der Arbeit nach Hause kommt. Abends fernsehen mit Baby ist allerdings noch problematischer als tagsüber, denn kurz darauf soll das überforderte, überreizte Kind die Augen zu machen und schlafen.
Statt auf diesem abendlichen Ritual zu bestehen, sollten Eltern sich darüber klar werden, dass sie jetzt Verantwortung für ein kleines Lebewesen tragen und sich damit im Alltag vieles ändern muss – auch die Fernsehgewohnheiten.
Wenn Du tatsächlich nicht darauf verzichten kannst, tagsüber ein paar Bilder zu sehen, sollte der Ton aus sein und der Bildschirm so positioniert, dass die Kleinen ihn nicht sehen können – also weit oben und hinten auf einem Regal, dem Kühlschrank oder ähnlichem.
Hat Fernsehen für Babys positive Aspekte?
Immer noch hält sich die Meinung, gut gemachte Clips für Babys könnten die Entwicklung fördern, weil die Kinder zum Beispiel neue Wörter lernen. Fast 30% der Amerikaner glauben an einen pädagogischen Wert des Fernsehers.
Versuche mit Babys und Fremdsprache haben jedoch gezeigt, dass das nicht stimmt. So wurde einer Gruppe chinesische Sprache über den Fernseher gezeigt, einer anderen vorgelesen. Nur die Gruppe der Babys, der vorgelesen wurde, hat chinesische Wörter gelernt.
Die beste Sprachförderung für Dein Baby ist echte Sprache und kein Fernseher, zum Beispiel das Singen und Sprechen von Bezugspersonen.
Fernsehen ist viel zu laut, durcheinander und zu schnell geschnitten, um für ein Baby überhaupt Sinn zu machen. Es wird von den vielen Reizen überflutet und es fehlt ein echter Lernanreiz. Denn niemand lernt durch reines Berieseln lassen, echtes Lernen findet durch Interaktion, Anfassen, und Kommunikation statt.
Wenn Du also das Gefühl hast, Dein Baby zwischendurch mal sicher “parken” zu müssen, weil Du zur Toilette oder Essen warm machen musst, dann gibt es bessere Möglichkeiten – ein Fernseher ist kein Babysitter-Ersatz.
Manche Kinder akzeptieren einen Laufstall, in dem sie sicher liegen oder krabbeln können, für andere kommt eine Babytrage in Frage.
Aber wissen Babys und Kinder nicht selbst, was sie brauchen?
Manchmal wird auch argumentiert, dass man Babys und Kindern selbst die Entscheidung überlassen sollte, womit sie sich beschäftigen wollen.
Natürlich sind viele Babys oder Kleinkinder fasziniert von all den Geräuschen, Farben und der Bewegung des Fernsehers. Könnte man jetzt nicht sagen, wenn etwas so interessant ist für ein Kind, dann wird es schon in Ordnung sein? Immerhin wissen die Kleinsten in vielen Fällen ja selbst am besten, was sie gerade brauchen.
Dieser natürliche Instinkt, dass Kinder sich immer das suchen, was ihrer Entwicklung gerade gut tut, gilt leider nur für natürliche Umgebungen.
Sobald Du etwas nimmst, was in der Natur nicht vorkommt, kann sich der Effekt leider umkehren. So wäre es innerhalb der Familie oder Gesellschaft natürlich förderlich für Babys, möglichst viel zu beobachten und zu hören. Denn dadurch lernen sie sehr viel – Sprache, Umgangsformen, optische Reize.
Sobald allerdings Medien zum Einsatz kommen, sind die Reize für ein Baby nicht mehr zu verarbeiten. Außerdem ist besonders der Fernseher eine kommunikative Einbahnstraße – er antwortet nicht und läuft einfach immer weiter, egal, was das Baby macht. Eine Interaktion, wie sie menschlich und natürlich wäre, findet nicht statt. Die Sprache wird nicht dem Tempo des Baby angepasst, es gibt keine Wiederholungen, wenn dieses nicht versteht.
Negative Auswirkungen des Fernsehers auf Babys
Der Lerneffekt bleibt also aus. Trotzdem ist das Kind instinktiv fasziniert, schaut und hört hin. Leider hat das viele negative Auswirkungen, die Du für Dein Baby auf Dauer sicherlich nicht haben möchtest:
- In der Zeit, in der ein Baby fernsieht, macht es nichts anderes. Es findet kein Lernen statt. Das kleine Gehirn kann in dieser Zeit wenig Synapsen bilden, denn die Fernsehbilder sind dafür nicht geeignet. Gleichzeitig fehlt ihm die Zeit, die es sonst auf sinnvolle Beschäftigung verwendet hätte, in der es wirklich lernen kann.
- Wer fernsieht, bewegt sich wenig. Dabei sind Bewegungsübungen vor allem für Babys sehr wichtig, um sich gesund zu entwicklen. Im späteren Leben kann der Mangel an Bewegung, der durch das Sitzen vor dem Fernseher verursacht wird, zu Übergewicht führen.
- Fernsehen hat Gewöhungseffekt. Alles, was Dein Baby in den ersten Lebensjahren erlebt, wird sein weiteres Verhalten im Leben prägen. Willst Du Dein Kind wirklich auf das Stillsitzen und passive Beobachten prägen? Oder wünscht Du Dir viel mehr, dass es lebendig, körperlich aktiv und kreativ wird?
- Fernsehen bedeutet für ein Baby Reizüberflutung. Vor allem abends bekommt ihr als Eltern dafür dann die Quittung. Überreizte Babys schlafen schlechter ein und durch, das heißt Dein Baby wird unruhig durch fernsehen.
- Kleinkinder, die viel Fernsehen, haben unter anderem mit Lernschwierigkeiten, Aggressivität und Konzentrationsschwäche zu kämpfen.
- Dein Baby lernt nicht, sich selbst zu beschäftigen und sich wirklich zu vertiefen.
Ab wann darf ein Kind fernsehen?
Die gängige Empfehlung lautet, dass der Fernseher bis zum 3. Geburtstag tabu sein sollte. In dieser Zeit entwickeln sich wichtige motorische und kognitive Fähigkeiten – Medien sind dabei alles andere als förderlich.
Danach kannst Du, wenn Du das für wichtig hältst, Dein Kind auch mal bis zu 30 Minuten am Tag fernsehen lassen. Allerdings solltest Du Dir darüber im Klaren sein, dass auch das keinen positiven Effekt für Dein Kind hat und gut darauf achten, was es schaut.
Also nicht einfach die Glotze oder Youtube an und dann weggehen. Es gibt viele Bilder, sprachliche Äußerungen und Handlungen im Fernsehen, die Dein Kind nicht verstehen kann oder die ihm sogar Angst oder Albträume bereiten können.
Du solltest also weder ein Baby noch ein Kleinkind einfach vom Fernseher berieseln lassen, sondern mit ihm ausgewählte kurze Serien oder Kinderfilme schauen. Denn die sind meist kindgerechter geschnitten und produziert.
DVDs eignen sich dafür gut, denn es fällt Kleinkindern leichter, etwas zu verarbeiten, was sie viele Male sehen.
Auch solltest Du Dein Kind nicht allein schauen lassen, sondern daneben sitzen und Fragen beantworten. Oft haben Kinder auch hinterher das Bedürfnis, über das Gesehene zu sprechen und brauchen Hilfe bei manchen Unklarheiten. Spätestens dann wirst Du froh sein, den Kinderfilm mindestens ein mal gesehen zu haben.
Also wieder: Auch eine DVD ist kein Kinder-Parkplatz.
Bessere Alternative zum Fernseher: Vorlesen
Im Gegensatz zum Fernseher nützt Vorlesen auch schon im Babyalter erwiesenermaßen der kognitiven Entwicklung. Sogar Babys haben schnell Lieblingsbücher, die sie wieder und wieder hören möchten. Dabei können sie Dich beim Vorlesen und sprechen beobachten, die Wörter allmählich verinnerlichen, das Buch anfassen und umblättern und haben ganz nebenbei noch Körperkontakt. Natürlich ist auch beim Vorlesen recht wenig Bewegung im Spiel, allerdings sind die Kinder nicht so “ausgeknipst” wie vor dem Fernseher.
Denn entgegen der Annahme mancher Laien, dass ja auch beim Fernsehen Worte gehört und dadurch das Lernen gefördert würde, findet beim Fernsehen kaum Lerneffekt statt. Fernsehen hat keinen Bildungswert für Babys und Kleinkinder. Denn Kinder lernen ganzheitlich, das heißt, wenn möglichst viele Sinne angesprochen werden, durch Erleben, Erkunden, Anfassen, Interagieren. So bilden sich Synapsen – nicht durch passives Berieseln lassen.
So haben Kinder, denen als Baby regelmäßig vorgelesen wurde, einen größeren Wortschatz (+8%) als Gleichaltrige. Kinder, die als Baby viel fernsehen durften, haben dagegen einen viel geringeren Wortschat (-20%) als Gleichaltrige.
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Hallo Hanna,
vielen Dank für deinen interessanten Artikel! Ich habe mich selbst viel mit diesem Thema beschäftigt, weshalb für mich ganz klar ist, dass mein fast 2-jähriger Sohn auch im nächsten Lebensjahr kein Fernsehen oder Clips auf You Tube sehen wird.
Bei uns läuft deshalb erst abends der Fernseher, wenn er im Bett liegt.
Nur zur Sportschau kann ich meinen Mann leider nicht überreden, den Fernseher aus zu lassen. Dann versuche ich meinen Sohn aber so gut es geht abzulenken und in anderen Räumen zu spielen.
Liebe Grüße
Sandra
Hallo Sandra,
wir haben ja zum Glück einen Fernseh-freien Haushalt und sogar meine Eltern, die Großeltern meines Sohnes, haben ihren Fernseher mittlerweile abgeschafft, weil sie sich lieber mit uns und unserem kind beschäftigen. Wenn mein Bruder zu Besuch ist und die Sportschau sehen will, geht er immer mit einem Laptop ins Schlafzimmer.
Ich stelle es mir auf jeden Fall schwierig vor, wenn du deinen Sohn vom Fernseher ablenken willst. Die Faszination und Neugierde ist doch meist sehr stark bei Kindern ausgeprägt. Wie schaffst du das?
Lg Hanna
Hi Hanna,
vielen Dank für deine Antwort.
Das ist auch eine gute Idee mit dem Laptop, aber ich glaube, da komme ich gegen Sportschau nicht an – die muss einfach auf dem großen Bildschirm geschaut werden :/
Das stimmt, Max schaut schon ab und zu mal zum Fernseher, aber mit Büchern oder Duplo bekomme ich ihn meist gut abgelenkt. Jetzt wird es abends ja auch wieder länger hell, so dass wir wieder raus gehen können.
Finde ich ja klasse, dass die Großeltern und dein Mann in Sachen Fernseher am gleichen Strang ziehen!
Liebe Grüße
Sandra