Unser Sohn war in vielen Dingen ein Schnellstarter. So auch beim Laufen lernen. Mit zehn Monaten ließ er einfach los und ab da gab es kein Halten mehr. Allerdings mussten viele Eltern, die ich kenne, länger auf diesen eindrucksvollen Entwicklungsschritt ihres Babys warten. Aktuell beobachte ich eine Freundin und ihren 1-jährigen, wie sie mit ihm an der Hand auf und ab läuft. In diesem Zusammenhang bin ich der Frage nachgegangen, wie viel Unterstützung beim Laufen lernen einem Kind eigentlich gut tut. Überfordert meine Freundin ihren Kleinen möglicherweise, weil sie es nicht mehr erwarten kann, dass ihr der Kleine zum ersten Mal auf wackeligen Beinchen entgegenläuft? Oder sind bestimmte Maßnahmen sogar sinnvoll, um die Entwicklung der Muskulatur zu fördern? Der allerbeste Weg liegt hier wie so oft wohl irgendwo in der Mitte.
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Früh übt sich beim Laufen lernen
Von Geburt an sorgen die Babys mit allen ihren Bewegungen dafür, die gesamte Muskulatur am Skelett aufzubauen und zu trainieren. Das Strampeln ist ein ganz natürlicher Bewegungsablauf, der angeboren ist und den die Kleinen bereits im Mutterleib ausführen. Es ist total spannend, in den ersten Monaten zu beobachten, wie schnell sich die Kleinen entwickeln und immer neue Bewegungen möglich werden. Nach einer Weile wilden Strampelns können sie bald auch schon selbständig ihr Becken heben, wenn sie auf dem Rücken liegen.
Bei den üblichen Vorsorgeuntersuchungen werden ja frühzeitig auch schon die Reflexe der Babys überprüft. Entscheidend zum Laufen lernen ist dabei der sogenannte Schreitreflex, der sich normalerweise etwa bis zum dritten Lebensmonat zeigt.
Insgesamt dauert es jedoch noch eine ganze Weile, bis die Kleinen körperlich überhaupt in der Lage sind, sich auf den Beinen zu halten. Der Kopf ist im Verhältnis zum restlichen Körper gerade am Anfang sehr groß (etwa ein Drittel der Körpergröße!), deshalb liegt der Schwerpunkt auch noch sehr hoch. In dieser Zeit können wir Eltern recht wenig dazu beitragen, das Ganze zu beschleunigen. Wichtig ist es, dass die Babys genügend Bewegungsfreiheit bekommen, um aktiv zu sein und vor allem durch Strampeln die Muskeln zu stärken.
Laufen lernen ist abhängig von der motorischen Entwicklung des Babys
In den folgenden Monaten legen die Babys in rasantem Tempo an Gewicht zu. Passt das Kleine beim Stillen anfangs noch locker auf einen Arm, hängen nach kurzer Zeit beim einschlummern auf dem Schoß bereits die Beinchen über. Mir selbst war das gar nicht so bewusst, wie schnell unser Kind tatsächlich gewachsen ist. Ein Blick auf die ersten Babyfotos lässt mich dabei immer wieder staunen.
Gleichzeitig mit dem enormen Wachstum macht sich auch der unbändige Bewegungsdrang immer mehr bemerkbar. Die Babys können bald alleine ihren Kopf heben und wollen, wenn sie wach sind, am Geschehen teilhaben und zusehen. Blickkontakt zu den Bezugspersonen, insbesondere der Mutter, ist aber weiterhin ungemein wichtig für die kindliche Entwicklung.
Bald kann sich das Baby dann alleine vom Rücken auf den Bauch drehen. Es stützt sich mit den Armen ab und dann geht es oft bereits ans robben. Spätestens dann ist die Zeit, man das Baby in Ruhe auf dem Sofa ablegen kann vorbei, denn solange es nicht schläft, wird es sich voller Tatendrang in Bewegung setzen. Nicht dass es die Zeit auf dem Sofa für mich je gegeben hätte, aber das “nachlaufen” fing bei uns mit 5 Monaten schon an. Und vom Robben ging es kurz darauf dann auch ans Krabbeln, was den Radius noch einmal vergrößert.
Krabbeln ist zum Laufen lernen besonders wichtig, weil dabei nicht nur die Muskulatur der Arme, Beine und des Rumpfes gestärkt werden. Auch die Koordination von Bewegungen und das Gleichgewicht werden dabei geschult.
Keine Schritte erzwingen beim Laufen lernen
Auch in dieser Phase sollten Eltern nicht zu drängend sein. Eine sinnvolle Unterstützung ist die Motivation, wenn das Baby kleine Fortschritte macht. Auch kleine Hilfestellungen sind in Ordnung, wie etwa, dass Platz geschaffen wird oder wenn das Baby von selbst nicht weiterkommt – beim Robben können dann zum Beispiel die Füße abgestützt werden, dass es sich leichter abdrücken kann. Tut sich das Baby beim Sitzen noch schwer, kann man ihm immer wieder zeigen, wie es die Knie beugen kann, um so besser das Gleichgewicht halten zu können.
Manche Eltern polstern ihr Kind mit Kissen aus, damit es früher „sitzen“ kann und mangels eigener Kraft und Stabilität nicht umfällt. Allerdings hemmt dies eher die weitere Entwicklung, da die Babys die wichtigen Schritte nun mal selbst lernen müssen. Zu langes unselbständiges sitzen ist außerdem unbequem und angeblich nicht gut für den Rücken. Denn wenn die Muskulatur noch nicht weit genug ist, um die Sitzhaltung aufrecht zu erhalten, dann lastet umso mehr Gewicht auf den Bandscheiben des Babys. Das könnte, theoretisch, zu einer frühen Schädigung führen. Erwiesen ist das meines Wissens aber nicht.
Wie sinnvoll sind Lauflernhilfen?
Kann sich das Kleine schließlich auch an Dingen hochziehen und versucht zu stehen, sollte man ebenfalls etwas Hilfestellung leisten. Auch mit Kantenschutz und einigen gepolsterten Ecken sollte man das Baby nicht alleine lassen. Hier müssen immer wieder Stürze aufgefangen werden. Vor allem, wenn das Baby frei nach hinten umfällt, weil es das Gleichgewicht nicht halten kann, tut das richtig weh und kann im Ausnahmefall auch gefährlich werden.
Um dem Baby auch mit noch schwacher Muskulatur einen größeren Bewegungsfreiraum zu geben, gibt es unglaublich viele verschiedene Hilfen. Von Lauflernhilfen (Gehfrei), in die die Kleinen gesetzt werden über Lauflernwagen oder einfachere Haltestangen, an denen sie das Aufstehen und Festhalten üben können.
Im Prinzip ist aber schon die ganze Wohnung voller Möglichkeiten, sich aufzurichten. Die Sofakante, vor allem, wenn das Sofa über Eck läuft ist hier besonders beliebt. Daran können die Kleinen sich gut hochziehen und lernen, sich seitlich an den Polstern entlangzubewegen.
Ein Gehfrei ist keinesfalls empfehlenswert oder förderlich, weil es das Baby nicht dabei unterstützt, das Gleichgewicht weiter zu entwickeln. Außerdem können die Kleinen darin ganz schön schnell unterwegs sein, was dann vor allem die Unfallgefahr erhöht. Experten warnen vor Gehfrei-Lauflernhilfen genauso wie vor Türhopsern. Sie behindern nicht nur das Laufen lernen, sondern führen auch zu seiner übermäßigen Belastung des Haltungsapparates. Ein Schiebewagen ist da schon besser. Daran kann sich der Kleine beim Aufrichten festhalten und sich in seinem Tempo mit dem Wagen fortbewegen.
Insgesamt läuft das Laufen lernen aber einfach nach den individuellen Fortschritten des Babys im ganz eigenen Tempo ab. Wirklich beschleunigen kann man das mit Lauflernhilfen also nicht.
Wir Eltern können als Hilfestellung in der Wohnung zusätzliche „Inseln“ aufbauen. Dicke Kissen oder Hocker können dann als Zwischenstopp angesteuert werden und verkleinern die Distanz, die selbständig zurückgelegt werden muss.
Lernt das Baby mit Schuhen besser laufen?
Grundsätzlich würde ich sagen, dass es besser für die Kinder ist, so viel wie möglich barfuß zu laufen. Gerade in der Anfangsphase beim Laufen lernen bekommen sie durch den direkten Kontakt zum Boden ein besseres Gefühl für den Untergrund und können sich besser ausbalancieren und den Fuß richtig abrollen. Durch die große Bewegungsfreiheit in alle Richtungen werden so außerdem die Muskeln, Sehnen und Bänder rund um die Füße besser trainiert und gestärkt.
Auch mein Arzt hat mir empfohlen, richtige Schuhe erst zu kaufen, wenn der Kleine bereits einigermaßen selbständig laufen kann. Natürlich gibt es aber Witterungen und Temperaturen, bei denen Kinder draußen nicht barfuß laufen können. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie “richtige Schuhe” mit fester Sohle brauchen. Du kannst dick gefütterte Stoffschuhe mit weicher, flexibler und nur leicht verstärkter Sohle kaufen. Diese sind meist nicht wasserdicht, aber sehr warm. Darüber kannst Du ein paar Regenüberzieher für Babys ziehen, sodass sie nicht nass werden.
Beim Kauf der ersten Schühchen mit Gummisohle, achte unbedingt darauf, dass es Barfußschuhe sind. Darin haben die Zehen genug Platz und werden nicht zusammengedrückt und die Sohle ist in der Regel flexibel und weich. Das sorgt nicht nur für eine gesunde Fußentwicklung, sondern auch für weniger Unfälle. Denn damit kann Dein Kind einigermaßen sicher den Untergrund erkennen und den Fuß richtig aufsetzen – ein bisschen wie Barfußlaufen, nur eben mit Schuhen.
Wenn es in der Wohnung nicht zu kalt ist, ist es auch hier am besten, die Kleinen barfuß Laufen lernen zu lassen. Ist der Boden kühl oder auch rutschig, dann helfen Socken mit ABS-Sohle weiter. Sie sind in jedem Fall besser als festere Hausschuhe.
Unterstützung beim Laufen lernen anpassen
Insgesamt kann ich sagen, dass wir als Eltern viele Hilfestellungen beim Laufen lernen geben können. Allerdings sollten die dabei eben unterstützend und niemals fordernd sein. Wollen wir zu viel, können wir die Babys nämlich schnell überfordern und eine gesunde Entwicklung unter Umständen hemmen. Lobende Worte und Aufmunterungen sind hier immer noch der beste Weg, wenn auch eigentlich nicht notwendig. Denn früher oder später wird jedes gesunde Kind laufen lernen. In seinem Tempo. Zu seiner Zeit.
Zudem sollten wir uns nicht zu sehr an den Entwicklungsschritten anderer orientieren. Die Babys machen in diesen aufregenden Monaten unglaubliche Fortschritte in den verschiedensten Bereichen. Auch das Gehirn muss dieses Tempo mithalten und Neues verarbeiten. Geht es mit dem Laufen lernen mal nicht so richtig voran, ist das Kleine möglicherweise noch mit etwas ganz anderem beschäftigt. Am Ende kommt der nächste Schritt dann dafür umso schneller.
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