Bist Du auch eine dieser Mamas oder einer dieser Papas, die abends stundenlang am Kinderbett sitzen und Händchen halten oder Köpfchen streicheln? Oder wird bei euch zur Einschlafbegleitung gekuschelt, als wenn es kein Morgen gäbe? Dann steckst Du vermutlich in genau demselben inneren Konflikt, den viele Eltern haben: Muss das Kind alleine einschlafen oder soll ich ihm die Nähe geben, nach der es fragt?
Wann sollte ein Kind alleine schlafen?
Soviel gleich vorne weg: Die Altersspanne, in der Kinder tatsächlich ohne Einschlafbegleitung durch die nächtliche Ruhephase finden, variiert aber stark. Es gibt weder einen festen Stichtag, auf den Eltern sich freuen können, noch ein einfaches Patentrezept, das jedem Kind zum eigenständigen Schlafen verhilft. Es kann aber hilfreich sein, das Thema Einschlafbegleitung etwas genauer zu betrachten und die Bedürfnisse zu verstehen, die damit verbunden sind.
Themen des Beitrags
Warum Kinder nicht alleine einschlafen
Durchschlafen im Babyalter oft einfacher
Manche Kinder finden schon im Babyalter leicht in den Schlaf und fühlen sich in ihrem eigenen Bettchen pudelwohl. Andere benötigen bis ins Vorschulalter hinein eine intensive Einschlafbegleitung durch die Eltern. Nicht selten kommt es auch vor, dass kleine Murmeltiere wieder zu unruhigen Schläfern werden, wenn sie die Babyzeit hinter sich gelassen haben und aktiver am Leben teilnehmen. Auch während Entwicklungsschüben kommen sie vielleicht plötzlich wieder zum Elternbett, weil sie nicht einschlafen können oder nachts aufgewacht sind. Tatsächlich schlafen etwa 53 Prozent der Einjährigen durch – in der Folgezeit wird der Anteil allerdings wieder kleiner. Mit 2 Jahren sind es nur noch 39% und mit 4 Jahren sogar nur noch 38%. Doch warum tun sich ausgerechnet ältere Kinder so schwer mit dem Einschlafen?
Kleinkinder verarbeiten abends das Erlebte
Der Grund liegt vor allem in ihrem sich erweiternden Horizont und den immer komplexeren kognitiven und emotionalen Prozessen, die Kinder im Kleinkind- und Kindergartenalter durchleben. Ihr Bewegungsradius wird größer, das Erlebte umfangreicher und komplexer. Die vielen Eindrücke möchten in den ruhigen Abendstunden verarbeitet werden, wenn das Umfeld langsam weniger Reize bietet und Körper und Geist Zeit haben, um zur Ruhe zu kommen und nachzuspüren. Viele Kinder haben deshalb insbesondere in der ruhigen Zeit vor dem Einschlafen noch einmal das Bedürfnis, über das zu sprechen, was sie erlebt und empfunden haben. Sie brauchen die Unterstützung ihrer Eltern als engste Bezugspersonen, um zu begreifen und zu verarbeiten, was ihre Welt auf den Kopf gestellt hat.
Tagsüber unabhängig, abends verkuschelt
Außerdem erleben insbesondere Kleinkinder und Kindergartenkinder bewusst, dass sie eigenständige Individuen und damit in gewissem Maße unabhängig von den Eltern sind. Das kann sie tagsüber zu großen Abenteuer beflügeln und ihnen Lust auf eigenständiges Entdecken und Erleben machen. Am Abend wächst dann häufig aber die Sehnsucht nach dem sicheren Hafen und der Geborgenheit und Nähe der Eltern. Auch das kann ein wesentlicher Grund dafür sein, warum gerade Kinder, die tagsüber gerne eigenständig unterwegs sind und sich aus der direkten Nähe der Eltern hinauswagen, am Abend ein starkes Bedürfnis nach Zuwendung und Körperkontakt haben. Gerade kühnen Abenteurern fällt es nach einem aufregenden Tag oft schwer, sich von der wachen, der erlebnisreichen Phase zu verabschieden und loszulassen.
Hier ist es wichtig, dass Eltern die Bedürfnisse ihrer Kinder verstehen und ernst nehmen, damit sie Sicherheit und Nähe vermitteln können und den Kleinen liebevoll dabei helfen, sich vom Tag zu verabschieden und Ruhe zu finden.
Der Übergang zum alleine schlafen: 7 hilfreiche Tipps
1. Eine angenehme Schlafatmosphäre hilft beim Einschlafen
Die Schlafumgebung spielt für die Nachtruhe eine wesentliche Rolle. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene profitieren von einem Schlafumfeld, das Ruhe und Erholung fördert. Für Familien, für die das Familienbett langfristig keine Option ist, ist es deshalb wichtig, den Schlafplatz des Kindes so zu gestalten, dass er zum Ausruhen und Wohlfühlen einlädt. Das Bett sollte Entspannung und Sicherheit vermitteln und so ganz sanft dabei unterstützen, loszulassen und zur Ruhe zu finden. Auf dieser Seite findest Du weitere Anregungen für eine harmonische Gestaltung des Kinderzimmers und hochwertige Schlafmöbel.
2. Spielen und schlafen klar trennen
Soll ein Kind im eigenen Kinderzimmer zur Ruhe finden, ist es wichtig, Spiel- und Schlafbereich deutlich voneinander abzugrenzen. Spielsachen haben im Bett nichts zu suchen, ein kuscheliger Einschlafbegleiter ist aber herzlich willkommen. Auch bei der Wahl der passenden Bettwäsche ist Vorsicht geboten. Es gibt eine Vielzahl farbenfroher Motive für die Kleinen. Allzu überladen sollte das Design allerdings nicht sein. Die Lieblingshelden auf dem Kopfkissen können tagsüber ein echter Hingucker sein, am Abend vermitteln sie aber eher die Lust auf Spielen und Abenteuer. Sanfte Farben und entspannende Motive sind rund um den Schlafbereich besser geeignet.
3. Gut abdunkeln
Vor allem im Sommer ist es für viele Kinder schwierig, im Hellen einzuschlafen. Das liegt nicht zum einen daran, dass sie weiterhin optische Sinneseindrücke wahrnehmen, die sie vom Einschlafen ablenken. Wer über das Muster der Tapete nachdenkst, kann schwer zur Ruhe kommen. Zum anderen schüttet der Körper in der Dunkelheit das Schlafhormon Melatonin aus, dass den Körper beruhigt und einschlafen lässt. Sorge also durch Verdunklungsrollos oder -vorhänge dafür, dass es möglichst nächtlich im Kinderzimmer ist.
4. Hörspiele als Ersatz für Einschlafbegleitung
Viele Eltern berichten, dass ihre Kinder abends mit Hörspielen einschlafen. So dürfen die Eltern den Raum verlassen und die Kleinen fühlen sich trotzdem nicht einsam. Es gibt auch tolle Entspannungs-CDs für Kinder, zum Beispiel mit Traumreisen oder Autogenem Training.
5. Kurz alleine lassen
Viele Kinder gewöhnen sich auch an das alleine einschlafen, indem Eltern immer wieder das Zimmer mit Ankündigung verlassen und dann zurückkommen. Die Wäsche aufhängen, kurz zur Toilette, ein Telefonat erledigen – solche Gründe können Kinder schon verstehen. Wichtig ist, dass Du dann auch wie vereinbart zurück kommst. Wünschenswert wäre, dass das Kind bis dahin schon eingeschlafen ist.
6. Körperkontakt und Anwesenheit trennen
Zum Übergang hilft es vielleicht, wenn Mama oder Papa sich zwar im Zimmer aufhalten, aber eben nicht direkt daneben liegen oder Händchen halten. So kann ein Kind lernen, ohne Köperkontakt einzuschlafen – vorausgesetzt, es ist bereit dazu.
7. Das Gespräch suchen
Hast Du Deinem Kind schon mal erklärt, warum Du keine Lust auf stundenlange Einschlafbegleitung hast? Wenn Du Deine Bedürfnisse erklärst, kannst Du mit älteren Kindern vielleicht einen gemeinsamen Kompromiss finden. Das könnte sein, dass es einmal die Woche alleine einschläft – zumindest ein erster Schritt.
7 Tipps, um die Einschlafbegleitung zu verkürzen
Wenn all das nicht funktioniert, ist Dein Kind vermutlich einfach noch nicht bereit, ohne Einschlafbegleitung einschlafen zu können. Dann hilft nur: Die Zeit selbst möglichst gut nutzen und versuchen, nicht zu ärgern. Du könntest zum Beispiel ein Hörbuch hören, selbst den Tag reflektieren, Pläne für den nächsten Tag schmieden oder Meditation üben.
Ansonsten kannst Du noch versuchen, dass die Einschlafbegleitung möglichst kurz ausfällt, indem Du diese Punkte berücksichtigst:
1. Vorher Raum für Rituale zum Loslassen schaffen
Für die meisten Kinder ist waches Erleben um ein Vielfaches reizvoller als Schlafen. Deshalb sollten Eltern schon vor dem Abend ausreichend Raum schaffen für all die Dinge, die erlebt und erzählt werden wollen. Wenn es möglich ist, solltest Du mit ausreichend Vorlauf Raum dafür schaffen. Wenn Du die notwendige Ruhe für Erzählen und Reflektieren erst im Bett einräumst, kann dies den Einschlafprozess hinauszögern. Besser ist es, bereits gemütlich auf der Couch über den Tag zu sprechen und ihn noch einmal Revue passieren zu lassen.
2. Bedürfnis nach Nähe vorher befriedigen
Auch andere Bedürfnisse wie das nach Nähe und Körperkontakt kannst Du nach Möglichkeit schon am Tag “abhaken”. Denn bei vielen kommt genau das im Alltag zu kurz und die Kinder holen es verständlicherweise am Abend nach. Vielleicht kannst Du also tagsüber 30 Minuten frei räumen, um mit Kind auf dem Schoß vorzulesen? Auch das Tragen von Kleinkindern in einer Babytrage kann hilfreich sein.
3. Genug Zeit zum Spielen
Kennst Du das, wenn ihr den ganzen Tag unterwegs wart und zuhause plötzlich alles so spannend für Dein Kind ist? Das kannst Du verhindern, indem Du dafür sorgst, dass ihr mehr Zeit zuhause verbringt. So kann Dein Kind in den eigenen vier Wänden spielen und Erkunden – und findet sie abends “langweilig” genug, um darin einzuschlafen.
4. Mittagsschlaf prüfen
Kinder schlafen vor allem dann, wenn sie müde sind. Bist Du sicher, dass Dein Kind noch einen Mittagsschlaf braucht bzw., dass er so lange sein muss? Anfangs fühlt es sich vielleicht falsch an, ein Kind mittags zu wecken, aber nach ein paar Tagen gewöhnen sich die meisten an die veränderten Schlafgewohnheiten und wachen von selbst auf. Wenn Dein Kind den Nachmittag entspannt verbringen kann, hat es mittags auch genug geschlafen.
5. Bewegung am Nachmittag
Du wirst überrascht sein, wie viel müder ein Kind ist, das den Nachmittag tobend im Park oder im Wald verbracht hat. Sorge dafür, dass Dein Kind vor allem am Nachmittag an der frischen Luft spielen und sich bewegen kann. Im Winter brauchst Du vielleicht Alternativen wie Kinderturnen, Indoor-Spielmöglichkeiten oder Sportangebote.
6. Weniger aufregende Abendrituale
Jedes Kind ist anders. Für manche ist es absolut in Ordnung, vor dem Schlafen gehen noch einmal zu toben und richtig Spaß zu haben. Nach einer Runde Kitzeln und Lachen schlummern manche Kinder umso seeliger ein – während andere völlig aufgepeitscht unmöglich zur Ruhe kommen können. Überprüfe also, ob eine Veränderung der Abendrituale vielleicht die Einschlafbegleitung verkürzen kann.
Auch Bildschirmmedien haben übrigens einen anregenden Effekt auf den Organismus. Das liegt nicht nur am Inhalt, sondern auch an der Frequenz des Lichts von Bildschirmen.
7. Einschlafbegleitung mit Papa
Probiert es aus, bei uns funktioniert das immer: Egal, ob Baby oder Vorschulkind, bei Papa schlafen alle schneller. Warum das so ist, kann ich nicht sagen, aber es ist einen Versuch wert – oder?
Wie viel Einschlafbegleitung ist richtig?
Bedürfnisse aller Beteiligten zählen
Bei der Einschlafbegleitung kommt die Frage nach den Bedürfnissen von Eltern und Kinder besonders stark zum Tragen. Wenn Kinder zum Einschlafen besonders intensive Nähe der Eltern benötigen und selbst nur schwer zur Ruhe kommen, kann das den eigenen Bedürfnissen der Eltern nach Ruhe, Erholung und Schlaf stark zuwiderlaufen. Dass beim bedürfnisorientierten Erziehen aber nur die Bedürfnisse des Kindes im Vordergrund stehen, ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Es geht um ein möglichst harmonisches Miteinander aller Familienmitglieder. Wenn Mama und Papa völlig erschöpft sind, ist ein harmonisches Familienleben kaum möglich.
Urvertrauen früh fördern
Die Berücksichtigung aller Bedürfnisse kann auch beim Thema Einschlafbegleitung ein wichtiger Wegweiser werden. Das Bedürfnis nach Nähe, Geborgenheit und Sicherheit ist im Menschen ganz tief verwurzelt. Insbesondere Kinder, die in vieler Hinsicht noch von ihren Eltern abhängig sind, spüren dieses Bedürfnis. Wenn Kinder in den frühen Monaten und Jahren viel Nähe und Geborgenheit erfahren, lernen sie deshalb oft schneller, sich auch ohne die unmittelbare Nähe der Eltern sicher zu fühlen. Babys und Kleinkinder, die von Anfang an spüren, dass die Eltern jederzeit in der Nähe sind, um ihre grundlegenden Bedürfnisse ernst zu nehmen, entwickeln ein tiefes Urvertrauen, das ihnen auch auf dem Weg in die Nachtruhe helfen kann. Interessante Erkenntnisse zu diesem Thema lieferte bereits eine Studie von Remo H. Largo und seinen wissenschaftlichen Kollegen aus dem Jahr 2006.
Verlässlich da sein
Für die Frage nach der richtigen Einschlafbegleitung bedeutet dies vor allem: Kinder können die erforderlichen Selbstregulationsfähigkeiten erlernen, um ohne Begleitung einzuschlafen. Dafür benötigen sie Verständnis, Nähe, Geborgenheit und das Gefühl, jederzeit sicher und beschützt zu sein. Das muss nicht bedeuten, dass Kinder nur in körperlicher Nähe zu ihren Eltern einschlafen können und sollten. Wichtig ist aber die Gewissheit, dass die Eltern jederzeit in der Nähe sind und auf wichtige Bedürfnisse reagieren. Je stärker sich diese emotionale Überzeugung von Anfang an entwickeln darf, desto schneller schaffen es die meisten Kinder auch, eigenständig in den Schlaf zu finden und entspannt durchzuschlafen. Eltern dürfen diese Entwicklung ganz entspannt gemeinsam mit ihren Kindern erleben und sich die Zeit geben, die notwendig ist.
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