Ich kann mich noch gut erinnern, als ich bei meinem ersten Baby nach in paar Wochen dachte: “Jetzt schläft er glaube ich bald durch.” Er hatte einmal in der Nacht 6 Stunden am Stück geschlafen. Heute, bei meinem zweiten Baby lache über solche Erwartungen innerlich. Denn ich weiß, dass es unter Umständen sehr, sehr lange dauert, bis der Nachtschlaf richtig klappt. Ab wann Babys durchschlafen, ist sehr individuell und zwischen der ersten Nacht und dem Vorschulalter ist alles normal. Generell gilt:
Themen des Beitrags
Grundlegendes zum Babyschlaf
Den zirkadianen Rhythmus finden: Die ersten Monate
In den ersten 3- 6 Lebensmonaten eines Babys ist der Tag-Nacht-Rhythmus meist noch wenig bis gar nicht ausgeprägt. Das liegt daran, dass Säuglinge ihren zirkadianen Rhythmus erst noch ausbilden müssen. So nennt man die Fähigkeit, physiologische Vorgänge auf eine Länge von 24 Stunden zu synchronisieren. Deshalb schlafen Babys in den ersten Lebenswochen und -monaten gefühlt einfach irgendwann – und irgendwann anders eben nicht.
Laut einer Erhebung von 1957 (Moore 1957) schliefen im Alter von drei Monaten 70% aller Säuglinge durch. 10% der Babys brauchten jedoch im gesamten ersten Lebensjahr Hilfe zum Weiterschlafen. Das heißt, die meisten hatten den Hell-Dunkel-Rhythmus dann verinnerlicht. Wie diese Zahlen heute aussähen, fände ich interessant. Denn sicherlich galten 1957 noch andere Standards zum Thema Bindungsorientierung, Säuglingspflege und Schlaftrainings. Laut einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2018 schlafen mit einem Jahr gerade einmal 17% der Kinder durch. Mit 2-3 Jahren schlafen gerade einmal 43% der Kinder laut Befragung durch.
Babys schlafen anders
Alle Menschen, auch Erwachsene, wachen immer wieder auf. Wir oszillieren zwischen kurzen Wachphasen, REM-Schlaf (leichter Schlaf) und Tiefschlafphasen. Dass wir kurz aufwachen, nehmen wir als solches gar nicht mehr wahr, denn wir schlafen meist sofort weiter.
Kleine Babys dagegen haben noch keine Tiefschlafphasen, sondern wechseln zwischen REM-Schlaf und kurzem Aufwachen. Ihre Schlafzyklen sind kürzer als bei Erwachsenen. Bei meinem 10 Monate alten Baby sind es aktuell 30 Minuten. Und im Gegensatz dazu wachen viele Babys noch richtig auf und schlafen nicht einfach weiter – bzw. durch.
Der Schlafbedarf von Babys
Auch wenn es entsprechende Tabellen dazu gibt, wie viel Schlaf Babys brauchen, Schlaf und Ruhebedürfnis ist etwas sehr individuelles. Es gibt von Geburt an Vielschläfer und Wenigschäfer. Von 12 bis 18 Stunden auf 24 Stunden gesehen gilt bei Säuglingen im ersten Lebensjahr alles normal. Aber auch, wenn Dein Baby innerhalb von 24 Stunden nur 10 Stunden schläft, kann das absolut in Ordnung sein. Wichtig ist, dass es ihm gut geht und dass es den Tag interessiert wahrnehmen kann. Dann hat es offenbar auch genug geschlafen.
Auch, wie Kinder in den Schlaf finden ist sehr individuell. Unser erster Sohn zum Beispiel hat alles getan, um sich wach zu halten. Schlafen schien für ihn das Schlimmste überhaupt und wir mussten ihn gefühlt regelmäßig dazu “zwingen”. Unser zweiter dagegen kommuniziert sehr klar, dass er müde ist und nimmt entsprechende Einschlafhilfen dankend an.
Ab wann schlafen Babys durch?
Einige Pädagogen sind der Meinung, man würde sein Baby in der Entwicklung behindern, wenn man ihm solche Schritte dann trotzdem weiterhin abnimmt. Meiner Erfahrung nach kann man einem Baby das aber auch nicht aufzwingen.
Selbständiges Einschlafen und Selbstregulation
Doch tatsächlich scheint der Knackpunkt, ab wann Babys durchschlafen, selbständiges (wieder) einschlafen zu sein – also die Selbstregulation. Angeblich kommen alle Babys mit dieser Fähigkeit zur Welt, allerdings ist sie mehr oder weniger stark ausgeprägt. Daran liegt es auch, dass man manche Babys einfach ins Bett legt und sie von selbst einschlafen, während andere gestillt, getragen oder im Kinderwagen gefahren werden müssen.
Zwischen Einschlafen und Durchschlafen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Zum einen sollte Dein Baby nicht aufgebracht sein und verzweifelt einschlafen. Sonst wird es möglicherweise in einer kurzen Wachphase nachts genau diese Gefühle wieder aufgreifen. Zum anderen muss dir klar sein, dass Kinder mit mangelnder Selbstregulation bei nächtlichem Aufwachen genau dieselbe Einschlafhilfe haben wollen wie abends zum Einschlafen. Das kann eine Stillmahlzeit sein, von Papa getragen werden oder auf dem Bauch eines Elternteils liegen.
Nächtliches Stillen
Das bedeutet nun keinesfalls, dass es falsch ist, das Baby zum Einschlafen zu stillen. Einschlafstillen ist nicht umsonst bei Babys so beliebt. Häufiges nächtliches Stillen
- hält die Milchbildung aufrecht
- führt zu zusätzlichen Stillhormonen für Mama
- beugt dem plötzlichen Kindstod vor
- sorgt für ausreichend Nährstoffe, Abwehrstoffe und andere wertvolle Bestandteile aus der Milch.
Für Dein Baby ist das nächtliche Stillen also förderlich und von Vorteil. Es spricht absolut nichts dgegen. Allerdings sollte Dir eben klar sein, dass es damit meist länger dauert, bis Babys durchschlafen. Ab wann genau das sein wird, kann Dir niemand vorhersagen.
Durchschlafen ist Definitionssache
Und was ist eigentlich durchschlafen? 12 Stunden am Stück? Acht Stunden? Tatsächlich spricht man bei Säuglingen schon bei 6 Stunden am Stück von Durchschlafen! Weil Dein Baby aber wahrscheinlich mehr Zeit, also eher 10-14 Stunden pro Nacht im Bett verbringt, hast Du das Gefühl, dass es nicht durchschläft. Denn auch ein “durchschlafendes” Baby wird in dieser Zeit 1-2 Mal aufwachen.
Vielleicht braucht Dein Baby aber gar keine Hilfe, wieder einzuschlafen, sondern wacht zwischendurch kurz auf, plappert oder nörgelt ein wenig und schläft wieder ein? Dann ist das Durchschlafen wahrscheinlich Wahrnehmungssache. Hättest Du selbst einen sehr tiefen Schlaf, würdest Du vermutlich gar nicht wahrnehmen, dass Dein Baby unruhig schläft und es würde “durchschlafen”. Auch der Elternschlaf spielt also eine Rolle.
Auch wichtig zu wissen: Auch, wenn dein Kind schon durchschläft, wird sich das vielleicht phasenweise wieder ändern. Wenn Dein Baby plötzlich nicht mehr durchschläft, kann das viele Gründe haben:
- Zahnen,
- Entwicklungsschub,
- viele Reize am Tag,
- Hunger,
- Krankheit.
Wie schläft ein Baby schneller durch?
Nächtlicher Hunger
Neugeborene wachen meist alle 2 Stunden auf, um Nahrung aufzunehmen. Mit 6 Monaten brauchen Babys dann angeblich nachts keine Nahrung mehr. Das halte ich für etwas hart. Natürlich gibt es Babys, für die das stimmt. Wahrscheinlich sind das aber häufig Flaschenkinder, deren Milch schwerer verdaulich ist. Und man kann da keinesfalls alle über einen Kamm scheren. Meiner Erfahrung nach kann man nachts abstillen allerfrühestens mit 12 Monaten, lieber erst mit 18 Monaten. Vorher kann es sein, dass Dein Baby einfach Hunger hat. Und es wäre grausam, einem hungrigen Kind die Milch zu verwehren.
Wenn Dein Kind tatsächlich nachts noch Hunger hat, kann das verschiedene Gründe haben. Zum einen kann das einfach an der körperlichen Entwicklung und dem Rhythmus des Babys liegen. Dagegen kannst Du nichts unternehmen. Es könnte aber auch sein, dass Dein Kind einfach tagsüber nicht ausreichend dazu kommt, Nahrung aufzunehmen – und dann nachts eben noch Hunger hat.
Meine Stillkinder, da bin ich mir sicher, brauchen die nächtlichen Mahlzeiten vor allem als Beruhigung, um weiter schlafen zu können.
Den Tagschlaf verkürzen
Nein, Du solltest Deinem Baby niemals den Mittagsschlaf streichen oder es wecken, wenn es noch müde ist! Allerdings gibt es Babys, bei denen man die Schlafmenge am Tag schon recht einfach steuern kann. Mein 10 Monate altes Baby würde zum Beispiel mittags 2-3 Stunden schlafen, wenn ich ständig bei ihm liegen bleibe und ihm die Brust gebe, wenn es aufwacht. Ansonsten schläft er etwa 40 Minuten und ist danach gut gelaunt und ausgeschlafen. Mit einem langen Mittagsschlaf wacht er nachts alle 1-2 Stunden auf und schläft sehr unruhig. Mit kurzem Mittagsschlaf dagegen schläft er die ersten 3-5 Stunden durch und sehr tief.
Das klappt, weil der gesamte Schlafbedarf über 24 Stunden immer gleich bleibt. Was am Tag nicht geschlafen wurde, wird meist in der Nacht nachgeholt. Allerdings klappt das auch nicht bei allen Babys. Mein Großer hat dann eben umso weniger geschlafen und war müde und unausgeglichen. Du kennst Dein Baby am besten und weißt, was klappen kann und was nicht.
Geduld haben: Eine Geschichte zum Mut machen
Vielleicht ist Dein Baby schon gar kein Baby mehr, sondern ein Kleinkind, und schläft trotzdem nicht durch? Dann bist Du wahrscheinlich langsam frustriert. Hörst Du von anderen Eltern, wie lange ihre Babys schon durchschlafen und fragst Dich, ob Du was falsch machst? Ob Du vielleicht mit Deinem Baby “üben” musst? Dann würde ich Dir gerne etwas Mut machen und von meinem eigenen Kind, heute fast 5 Jahre alt, erzählen.
Auch mit 4,5 Jahren schläft er noch bei uns im Familienbett – genauso wie sein kleiner Bruder, der jetzt 10 Monate alt ist. Egal, was um ihn herum passiert, der Große schläft. Das Baby kann direkt neben ihm brüllen, er schläft. Wir stehen auf, tragen den Kleinen herum, legen uns wieder hin. Er wippt in unserer elektrischen Federwiege, was wirklich nicht leise ist. Zeitweise müssen wir ihn nachts inhalieren, wenn er krank ist. Dem großen Bruder macht das alles nichts. Er schläft.
Wie Dir diese Geschichte Mut machen soll? Das war nicht immer so!
Als er klein war, wurde er teils alle 30 Minuten wach und konnte nur mit der Brust wieder einschlafen. Ich musste jede Nacht wie ein C um ihn herum gewickelt schlafen, denn ohne ausreichend Körperkontakt konnte er nicht schlafen. Wenn ich nur versuchte, mich umzudrehen oder zu bewegen, war er meist sofort wach – und musste trinken. Das leiseste Geräusch, zu viel Licht, Husten, alles konnte ihn wecken.
Was wir getan haben? Nichts. Ich habe gestillt, tagein, tagaus. Wir haben ihn weiterhin in unserem Bett schlafen lassen, denn er brauchte diese Sicherheit offenbar. Das hat mich viel Geduld und Verständnis gekostet und ich war oft sehr müde, verzweifelt und manchmal auch wütend. Aber ich habe 18 Monate lang nichts anderes getan, als ihm zu geben, was er brauchte. Danach habe ich nachts abgestillt.
Aufgewacht ist er trotzdem genauso oft. Dann musste er statt stillen eben auf mir drauf liegen und ich konnte ihn nicht mehr ablegen.
Erst nach etwa 3 Jahren wurde es besser und erst nach etwa 3,5 Jahren kamen vereinzelt Nächte, in denen er gar nicht mehr aufwachte. Ganz schleichend wurden das immer mehr Nächte und mit etwa 4 Jahren schlief er dann die meisten Nächte durch.
Ich bin mir sicher, wenn wir ihm nicht die Zeit und Zuneignung gegeben hätten, die er brauchte, wäre das heute anders. Man merkt, dass er sich nachts sicher und geborgen fühlt – und so endlich durchschlafen kann.
Achtung vor Schlaftrainings!
Vor diesem Hintergrund möchte ich Dich auch eindringlich davor warnen, mit Deinem Baby ein Schlaftraining durchzuführen. Das mag auf den ersten Blick erfolgsversprechend sein und mit Versprechen wie “Dein Baby braucht ausreichend Schlaf” lassen sich manche Eltern entgegen ihrem Bauchgefühl überzeugen. Aber es gibt gute Gründe, warum Du von solchen Maßnahmen die Finger lassen solltest! Du schädigst dadurch die Bindung zu Dir und das Urvertrauen Deines Babys nachhaltig. Zu sicherem, vertrauensvollen Schlaf verhilfst Du Deinem Kind nicht, indem Du es allein lässt – sondern indem Du ihm Zeit, Sicherheit und Vertrauen entgegen bringst.
Tipps zum Durchschlafen zusammengefasst
Hilfreich zum guten und möglichst langen Schlaf bei Babys ist also:
- fester Tagesablauf
- Einschlafrituale
- Zum Schlafen für Ruhe und Dunkelheit sorgen
- ausreichend Sauerstoff im Schlafzimmer
- tagsüber ausreichend frische Luft und Bewegung
Mythen dagegen scheinen folgende Tipps zu sein:
- Mit einem Milch-Getreide-Brei am Abend schlafen Kinder durch
- Ein Fläschchen mit industriell hergestellter Folgemilch führt zum Durchschlafen
- Abgestillte Kinder schlafen durch.
- Schlaftrainings helfen dem Baby, schlafen zu lernen
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